Wie man Filme kuckt

Ein Freund, mit dem mich eine Liebe zum Kino der guten alten Zeit verbindet, überließ mir ein Büchlein, das ihm jemand geschenkt hatte und dass er nun an mich weiterreichte, weil er es nicht wiederlesen wollte  –  wir beide sind Menschen, für die es das Natürlichste ist, einmal gelesene Bücher aufzuheben. Dieses Buch hieß „Im Kino“.
Als Nicht-Liebhaber der Kolumnen von Harald Martenstein wusste ich, was mein Freund meinte. Dennoch las ich es flüchtig. Die darin versammelten Kolumnen gefielen mir wieder nicht. Das Vorwort allerdings ist ein kleines Kunstwerk. Harald Martenstein schreibt über seine Art, Filme zu sehen und zu mögen, genau das, was ich auch als meine Art bezeichnen würde.
Da heißt es sinngemäß:

Filme sind so verschieden. Mit dem Film lässt sich mehr anstellen als mit dem Theater. Du kannst an einem Tag drei Filme sehen – drei Romane sind nicht zu schaffen. Ein langweiliger oder schlechter Film ist besser auszuhalten als schlechtes Theater oder schlechte Literatur.
Dass ich in meinen besten Zeiten nur 100 Filme pro Jahr geschafft habe – nicht 200 oder mehr, wie es sich für echte Spezialisten gehört -, finde ich in Ordnung, denn das Kino wird für Leute wie mich gemacht, für die hoffentlich nicht ganz blöde Masse, nicht für eine Handvoll Spezialisten.
Ein Film, den ich mögen soll, muss mich unterhalten. Das kann auch auf eine komplizierte, langsame und elaborierte Weise geschehen. Was ich zum Beispiel nicht mag, sind Filme, die klüger erscheinen wollen als sie sind, Angeber- und Bescheidwisserfilme, Werbefilme für eine bestimmte Meinung, manipulativen Kitsch und ranschmeißerische Zielgruppenfilme. Ich muss spüren, dass die Filmemacher nicht in erster Linie auf einem Egotrip sind oder einfach ein kommerzielles Rezept anwenden. Ich will spüren, dass sie bei der Arbeit an ihr Thema gedacht haben und an mich, ihr Publikum. Dass sie auf der Suche nach etwas gewesen sind. Im Idealfall vergesse ich dann, dass ich hinterher eine Kritik schreiben muss. Ich lasse mich willen- und meinungslos treiben, und am Ende ist es, als erwachte ich aus einem Traum.

Da er schonmal dabei ist, schreibt Martenstein auch, was er von einer guten (im Sinne von gutgeschriebenen) Kritik erwartet:

Kritiken müssen eine Meinung riskieren und damit das Risiko des Irrtums. Anders als Lexikonartikel dürfen sie ihre Subjektivität ruhig offen ausstellen. Dann fühle ich mich ernstgenommen. Natürlich sollten sie auch unterhaltsam sein!  

Besser kann man es nicht ausdrücken.

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