Die schönsten Filme, die ich kenne (120): „Das Experiment“

Der in Ungnade gefallene Journalist Tarek Faht (sprich: Facht) muss sich als Taxifahrer durchschlagen. Entsprechend interessant findet er eine Anzeige, die dem interessierten Leser 4000 Euro anbietet, wenn er bereit ist, im Namen einer Versuchsanordnung für zwei Wochen auf einen Teil seiner bürgerlichen Rechte zu verzichten. Noch attraktiver wird diese Offerte, weil Tarek beabsichtigt, eine Enthüllungsreportage daraus zu machen, was ihm zusätzliche 10.000 einbringen und seinen Ruf wieder herstellen könnte. Er besorgt sich eine Spionageausrüstung (die Kamera ist in seiner Brille versteckt) und besteht als einer von 20 Teilnehmern (alle männlich) die Teilnahmeprozedur.
Der Leiter des Experiments Professor Thon steckt die Gruppe als Gefangene und Wärter in den Knast, um herauszufinden, wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten – etwa, wenn ihnen plötzlich ungewohnte Macht und Verantwortung zufällt. Tarek findet sich unter den Häftlingen wieder. Das kommt ihm zupass, denn um der heißen Story nachzuhelfen, kann er die Wärter provozieren. Schon nach zwei Tagen kippt die Situation ins Bedrohliche. Thon ermahnt sein Team, sich davon nicht beunruhigen zu lassen, denn gerade jetzt werde es wissenschaftlich interessant. Wenig später ist die Spirale des Irrsinns nicht mehr aufzuhalten …

„Das Experiment“ von Oliver Hirschbiegel ist mit Abstand der handwerklich beste Film aus der unbehaglichen Reihe ähnlichen Ansatzes – wie etwa „Die Welle“, gar nicht zu reden vom rundgelutschten US-Remake „The Experiment“. Bei aller brutalen Konsequenz der Erzählung und ihrer Darstellung ist er niemals voyeuristisch, ergeht sich nicht in uneingestandener Schadenfreude. Obwohl wir vieles vorausahnen, hängt er zu keiner Zeit durch und schafft es, uns neugierig auf die Einzelheiten der Eskalation zu machen. Die Besetzung ist großartig, entsprechend mühelos wirkt die Darstellung. Man kommt (auch nach all den Jahren, die seit dem Kinostart vergangen sind) aus der Vorführung heraus, und glaubt, es gäbe tatsächlich so etwas wie einen „Deutschen Film“, für den sich niemand schämen müsste.
Der Freund, mit dem ich „Das Experiment“ damals im Kino anschaute, war damit emotional völlig überfordert. Auch die meisten Kritiker spielten dem Werk übel mit. Man muss solche Präsentationen nicht mögen, aber wer dem Film allen Ernstes vorwirft, „psychologische Forschung“ werde „als solche nicht hinterfragt bzw. auf das allgemein Menschlich-Pathologische reduziert“ oder dass die kurz erwähnte Verstrickung der Bundeswehr nicht näher beleuchtetet werde, hat den Sinn und Zweck eines packenden Thrillers schlichtweg nicht begriffen.

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