Gerhart Hauptmann und das Weibliche

betr.: 127. Jahrestag der Uraufführung von Gerhart Hauptmanns Märchendrama „Die versunkene Glocke“

[Um die Jahrhundertwende] kursierte in Berlin, kursierte in ganz Deutschland ein Schlagwort, das dem Titel eines Pamphlets entnommen war und „Die Ehelüge“ lautete.
„Die Ehelüge“, das stand für die Unvereinbarkeit von Ehe mit Selbstentfaltung, von Eros und Häuslichkeit, stand, wie es ein Wortführer ausdrückte: für die Kastration des Mannes. Gerhart Hauptmann drückte sich in seinem Tagebuch literarisch eindeutiger aus, er schrieb: „Das Weib von heute sitzt, sitzt, kann und will nur sitzen: der Mann schreitet.“

Dabei stand auch hinter seinem Erfolg eine Frau: Marie, die er 1882 kennengelernt hatte.

Diese Marie Hauptmann, geborene Thienemann, war die Tochter eines reichen Kaufmanns aus Radebeul. (…) Es kam zu einer heimlichen Verlobung, so waren zumindest die finanziellen Sorgen aus seinem Leben gebannt. Dieses Leben war bislang eher richtungslos verlaufen. Hauptmann war allenfalls ein mittelmäßiger Schüler gewesen, woran auch seine Anfälligkeit für Krankheiten eine Mitschuld trug. (…) Mit Marie kam das Glück, jetzt konnte er Philosophie und Literatur studieren, doch das taugte ihm nur kurz. Unverdrossen finanzierte seine Verlobte – geheiratet wurde erst drei Jahre später – auch eine Bildungsreise ans Mittelmeer und einen Rom-Aufenthalt, wo Hauptmann sich erneut – und erneut erfolglos – der Bildhauerei zuwandte. Nicht erfolgreicher waren seine Versuche als Zeichner und Historiker. Aber: er war und blieb ein hervorragender Erzähler. So kam er zum Schreiben, so kam er zum Theater, so kam er zu der Erfahrung, dass der wahre Künstler zwar unterhalten, doch nie eingeschränkt werden darf. Drei Kinder und acht Jahre später ging die Ehe zu Bruch.

Als Gerhart Hauptmann mit Anfang 30 – er war zu dieser Zeit mit Marie verheiratet – von einem Reporter gefragt wurde, welches seiner Stücke er für sein gelungenstes halte, wand er sich ein wenig und nannte dann „Einsame Menschen“.

„Einsame Menschen“ ist ein in mancher Hinsicht ziemlich beklemmendes Stück. Es (…) traf, wie man so salopp sagt, den Geist der Zeit, etwas präziser ausgedrückt, den Geist der Männer jener Zeit. (…) [Der Held] kommt also mit der Arbeit nicht recht voran und schiebt die Schuld an den nur schleppenden Fortschritten seiner Frau zu, die unlängst erst das gemeinsame Kind zur Welt gebracht hat. Käthe, seine Frau, sei ihm geistig nicht gewachsen, findet der junge Gelehrte, ihre Dumpfheit behindere seinen geistigen Adlerflug. Als Hausfrau, als Mutter gäbe es nichts an ihr auszusetzen, doch für die Tiefe seines Denkens habe Käthe nun einmal überhaupt kein Begriffsvermögen.

Zitate aus der BRalpha-Reihe „Klassiker der Weltliteratur“ von Tilman Spengler.

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