Lauernde Hebel und hämische Tasten

Was der klassische Horrorfilm uns heutigen Mediennutzern zu sagen hat

Der tägliche Umgang mit Computern erzieht zur Demut. Das geht übrigens auch jungen Leuten so, die reden nur nicht darüber. (Wenn ich meinen blutjungen Neffen bitte, mir bei der Verwirklichung einer App zu helfen, habe ich hinterher immer ein schlechtes Gewissen, weil ihn das so viel Zeit und Nerven gekostet hat.)

Wer alte Gruselfilme kennt, wird sich schon darüber amüsiert haben: Jeder verrückte Wissenschaftler, der etwas auf sich hielt, hatte damals an seinem Arbeitsplatz einen Knopf oder Hebel, den man auf gar keinen Fall berühren durfte, weil dann das ganze Labor in die Luft flöge. (Man könnte von einer Fuck-The-System-Taste sprechen.) Ich dachte dann immer: wie tollkühn und unbesonnen. Eine solche Vorrichtung würde ich einfach nicht einbauen. Und wenn, dann würde ich es für mich behalten. Prompt flog am Ende alles in die Luft – meistens, weil jemand mit Absicht am Knopf herumgefummelt hatte.
Mit etwas Nachsicht betrachtet ließ sich der Grund für diese Torheit natürlich erahnen. Die Autoren brauchten so einen Knopf, um am Ende des Films Tabula rasa zu machen – es war eine Zeit ohne Franchise, und das Konzept der Fortsetzung steckte noch in seinen Anfängen.
Heute ist mir das Kopfschütteln über die irren Kollegen Forscher und Erfinder vergangen. Selbst bei der Herstellung dieses Blogs unterlaufen mir regelmäßig unterbewusste Tastenkombinationen, die plötzlich alles weiß werden lassen oder tatsächlich unwiederbringlich löschen, was ich in den letzten Stunden erarbeitet habe. Warum solche Kettenreaktionen überhaupt programmiert werden, weiß der Geier. Würden sie nicht programmiert, könnten sie von irdenen sterblichen Usern auch nicht versehentlich aktiviert werden.

Im Prolog eines britischen Gruselklassikers wird dafür die schöne Formulierung „to call forth“ gebraucht: etwas Unheiliges erwecken, einen Fluch auslösen …

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