Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (26): „Schuldfrage“

Kriminalhörspiel von Eva Maria Mudrich – WDR 1982 – Credits und komplettes Hörspiel unter https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/krimi-am-samstag/schuldfrage-mudrich-pastewka-100.html

„Frei sein! Das hätten wir wahrhaftig anders und einfacher regeln können!“ – „Aber wir haben’s nicht anders geregelt! Wir haben uns treiben lassen! Bequemlichkeit – nenn es wie du willst! Und jedes Jahr ein Jahr meines Lebens …“

Marlies Torgau ist Abteilungsleiterin einer Versicherungsgesellschaft. Als sie ahnungslos von einer kurzen Reise zurückkommt, erfährt sie von ihrem Chef, dass ihre mustergültige, allseits beliebte Jugendfreundin Cornelia Mahnke am Wochenende ermordet aufgefunden wurde. Der Chef lässt Marlies nach Hause gehen, und sogleich beginnt sie, eigenartige Dinge zu tun. Sie fährt zu ihrem ehemaligen Segelclub und bittet den Bootswart für den Fall des Falles auszusagen, sie hätte das letzte Wochenende im Club verbracht. Dann fährt sie weiter zu Mahnkes. Dort trifft sie auf Jochen, Cornelias Mann. Jochen zeigt Marlies offen sein Misstrauen und treibt sie mit bohrenden Fragen in die Enge. Schließlich wartet auch noch die Polizei bei ihr zuhause auf sie zum Verhör.
Doch dann haben wir Gelegenheit, ein überraschendes Telefongespräch zu belauschen …

Eva Maria Mudrich, die vom Kinder- und Jugendfunk kam, war eine fleißige Autorin von Original-Hörspielen. Auf dem Gebiet der Science-Fiction hat sie sich dort einen Namen gemacht, dessen Größe von dem Umstand gedeckelt wurde, dass das künstlerische Hörspiel generell ein notorisch unbeachtetes Feld ist.
Bezeichnenderweise hat der deutsche Film – der seit dem Ende der Stummfilmzeit praktisch nichts richtig gemacht hat – dieser Autorin nichts zu tun gegeben.

Selbst Mudrichs Krimihörspiele haben diesen leichten surrealistischen Knick, jenen phantastischen Twist, der eine gute Geschichte ausmacht. Mudrichs Arbeiten erfordern ein ausgeruhtes Ohr, denn sie sind – selbst die Kammerspiele – sehr kompliziert (nicht nur komplex und konstruiert – kompliziert). Ihnen zu lauschen, ist jedoch stets ein Aufwand, der sich lohnt!
„Schuldfrage“ ist recht geradlinig. Gewohnt unbehaglich ist der Sog, der uns nach wenigen Minuten erfasst. Die getriebene Hauptfigur, die Versicherungsangestellte Marlies, lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Und wenn sie kurz vor Schluss der Geschichte endlich abgeht und uns noch ein wenig mit einem anderen Charakter alleinlässt, wenn wir endlich das Gefühl haben, einen eigenen klaren Gedanken fassen zu können, ist es längst zu spät.
„Schuldfrage“ wurde in den 90er Jahren als Kaufcassette angeboten.

Und hier noch ein persönliches Nachwort:
Wann immer ich den Namen der Autorin höre, meistens im Zusammenhang mit einem herrlichen Hörspielerlebnis, durchzuckt mich ein leises Weh. In meiner Saarbrücker Radiozeit arbeitete ich regelmäßig mit ihrem Sohn, dem Jazzmusiker Christoph Mudrich zusammen; ihr Mann Heinz, Feuilletonchef der „Saarbrücker Zeitung“, hat mich einmal ausführlich interviewt. Doch ich hatte keine Ahnung, dass die Mutter dieser Familie – wir sind einander nie begegnet – jemand gewesen ist, den ich heute für eine der interessantesten deutschen Autorinnen überhaupt halte (innerhalb und außerhalb ihres Mediums). Wie aufregend wäre es gewesen, sie kennenzulernen und – nun ja: – auszuquetschen über ihre Arbeit, ihre Zeit, ihre Arbeitsweise, ihre Vorbilder (Günter Eich!) etc.? Aber ich hatte nunmal keine Ahnung. Und ebenso ahnungslos bin ich heute im Umgang mit Menschen, die nicht mehr da sein werden, wenn ich dahinterkomme, wer sie eigentlich sind. Es ist ein tragischer Treppenwitz meines Daseins, der auf (noch) fehlender Information beruht. Und darauf, dass man seiner Mitwelt nicht immer die richtigen Stichworte gibt und die richtigen Fragen stellt.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2019/12/16/christoph-mudrich/.

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