Zum Leuchtturm … und wieder nach Hause

betr.: Sprechen am Mikrofon / Lesen vom Blatt

Fortsetzung vom 22. März 2024

Selbstverständlich muss das gemächliche Grundtempo so gewählt sein, dass wir bei Bedarf noch etwas langsamer werden können.
Beim Einlesen eines Kinderbuchs im Studio unterlief mir ein Timing-Fehler.

Das Buch ist fast zuende. Der Protagonist kehrt von seiner kleinen Heldenreise zurück. An der Tür ihrer Behausung wartet bereits der Großvater.
„Hurra!“ jubeln beide, als sie einander erblicken..
„Großvater! Großvater!“ ruft der Junge. „Stell dir vor, was mir passiert ist …“ Und dann – so heißt es – erzählt er dem Großvater sein ganzes Abenteuer.
Dann folgt eine wörtliche Rede des Helden, in der er eine seiner letzten Taten kommentiert und begründet.
Die Regie meldet sich. Ich solle doch diesen Satz bitte noch einmal lesen und ihn etwas mehr in der Euphorie der Wiedersehensfreude anlegen.
Ich erwidere: „Aber da gibt es doch einen Zeitsprung. Inzwischen wurde ja „das ganze Abenteuer“ noch einmal nacherzählt.
Der Regisseur stimmt mir sofort zu – und mir fällt auf, was ich falsch gemacht habe. Ich gehe im Text zurück. Nicht zur letzten wörtlichen Rede – die war ja richtig so – sondern genau davor. Den Erzählersatz „Und dann erzählt er dem Großvater sein ganzes Abenteuer.“ hatte ich nicht breit genug angelegt. Da er einen Vorgang beschreibt, der etwas länger dauert als der ihn beschreibende Satz, da inzwischen Dinge passieren, die keiner Erwähnung bedürfen – man geht ins Haus, der Held legt den Mantel ab, man setzt sich u.s.w. – muss ich ihn etwas langsamer lesen, um dem Zuhörer Zeit zu geben, sich all das bildlich vorzustellen. Sonst verpasst er glatt, dass Held und Großvater nicht mehr im Türrahmen stehen, obwohl ich den Satz ja vollständig vorgelesen habe..
Wie sich zeigt, passiert das sogar dem überaus aufmerksam zuhörenden Regisseur – und erst recht dem privaten Konsumenten unserer Arbeit.

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