betr.: 75. Jahrestag des ersten Jazz-Konzertes im „Lighthouse Café“
Fortsetzung vom 2.12.2014
In den 50er Jahren blühte, vor allem um Los Angeles, der Westcoast-Jazz, eine Spielart des Jazz, in der es ein bisschen milder und glatter zuging als beispielsweise im blueslastigen Hard Bop, der sich in New York aus dem Bebop entwickelt hatte. Der Westcoast-Jazz hatte ein eher weiches und reines Klangideal, gemäßigte Energie, einen Sound, in dem das Erdige und das Beißende fehlte: eher freundlich als dringlich. Erwartungsgemäß erregte das unter den Jazz-Puristen einigen Widerstand. Ein Vorwurf ist der der „klanglichen Uniformität“. Die Westcoast-Musiker wurden verdächtigt, alle gleich zu klingen. Der Musikwissenschaftler Ekkehard Jost bietet folgende Erklärung an: „Der Grund dafür liegt darin, dass alle diese Musiker durch die Schule der Westküsten-Bigbands gegangen waren, allen voran die Orchester von Stan Kenton und Woody Herman, was die Ausrichtung auf einen homogenen Gesamtklang verlangt hat.“ Darüberhinaus haben fast alle diese Musiker in den Studios von Los Angeles und Hollywood gearbeitet, wo klangliche Anpassung ebenfalls wichtiger war individueller Sound. Was diese Überlegungen nicht erklären: wenn der Westcoast-Sound auch einheitlich war, warum klang er dann gerade so und nicht anders? (Auch dem milden pazifischen Klima wird ein Effekt auf diese Spielhaltung zugeschrieben.)
Es war vor allem eine Band, die diesen Sound definiert hat: „Howard Rumsey’s Lighthouse All Stars“. In ihr haben nach und nach so ziemlich alle wichtigen Musiker der Westküste gespielt.
Das „Lighthouse“, nachdem sich die Band benannt hat, fand der Bassist Howard Rumsey, nachdem er 1949 die Band von Stan Kenton wegen persönlicher Differenzen hatte verlassen müssen. Bei einem Ausflug nach Hermosa Beach, einem Vorort von Los Angeles, den er aus seiner Jugend kannte, entdeckte er das „Lighthouse Café“ in Strandnähe, eine Bar mit Südsee-Dekor. Der Laden lief schlecht und hatte eine kleine ungenutzte Bühne. Rumsey schlug dem Besitzer eine Konzertreihe vor. Am 29. Mai 1949 kam es zu einer Probesession. Rumsey erzählt: „Es gab keine PA, aber wir spielten so laut, dass man es auf der Straße hören konnte. Innerhalb einer Stunde waren mehr Leute im Raum als im ganzen Monat zuvor.“
Eine Hausband formierte sich, das Publikum wuchs, das Programm wurde ausgedehnt, und schließlich gab es allabendlich Live-Musik. Die „Lighthouse All Stars“ waren keine feste Formation. Für die Musiker, die sonst in Studios jobbten oder in Big Bands auf Tour waren, waren die Jam-Sessions im „Lighthouse“ eine Gelegenheit, ihre Musik zu spielen und damit Geld zu verdienen. „Wir hatten die Zeit unseres Lebens!“ sagt Trompeter Shorty Rogers.
Ehe das Tonstudio zum Konzertsaal und der Club zur Probebühne wurde, wie Rumsey später sagte, entstanden die Schallplattenaufnahmen von „Howard Rumsey’s Lighthouse All Stars“ live im Club. Dass das so unkompliziert möglich war, lag einer hervorragenden fest installierten Aufnahmetechnik: ein Stereo-Bandgerät und ein Zweikanal-Mixer mit 8 Eingängen. Das Bandgerät konnte per Fernbedienung von der Bühne ein- und ausgeschaltet werden, was einen Tontechniker überflüssig machte. Bis Anfang der 60er Jahre haben All Stars rund ein Dutzend Platten gemacht.