Schmökern mit Dr. Moreau

betr.: 126. Geburtstag von Samuel Z. Arkoff

In der zweiten Verfilmung der oft geklauten und nie erfolgreich adaptierten Erzählung „Die Insel des Dr. Moreau“ von H. G. Wells gibt es eine denkwürdige Szene. Es ist eine Schlüsselszene, so klein und unscheinbar, dass man sie in einem Action-gesättigten B-Film von Samuel Z. Arkoff übersehen könnte.
Der Schiffbrüchige Andrew Braddock (Michael York), den es in einen ungastlichen Urwald verschlagen hat, ist von dem kultivierten Dr. Moreau aufgenommen worden. Zunächst hat er allen Grund, sich bei dem charismatischen Weltbürger (gespielt von Burt Lancaster und bedächtig synchronisiert von Heinz Petruo, leider nicht von Holger Hagen, der es noch schöner hinbekommen hätte) gut aufgehoben zu fühlen. Doch leider handeln das Buch und seine Verfilmungen von einem verrückten Wissenschaftler, der Gen-Experimente an seinen Mitmenschen durchführt.
Ähnlich dem Klassiker „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ („The Most Dangerous Game“ von 1932), der sehr von diesem Roman profitiert und wenige Monate vor dessen erster offizieller Verfilmung herauskam, führt er seinen Schurken als Besitzer einer imposanten Bibliothek ein, der sogar die Werke seines neuesten Opfers im Regal hat. „Die Insel des Dr. Moreau“ von 1977, Regie: Don Taylor, variiert diesen Twist folgendermaßen: Braddock stöbert in der Bibliothek seines Gastgebers zu einem Zeitpunkt, als ihm und uns allen schon gehörige Zweifel an dessen Integrität gekommen sind. Gerade als er gefunden hat, was er sucht, und die Öllampe aufflackern lässt, um es durchzulesen, hört er hinter sich die Stimme von Dr. Moreau – und lässt das Buch sinken: „Moreau, Paul – 12. April 1851, Boston, Massachusetts. Doktor der Chemie, Physiologie und Medizin. Ließ bei seinen frühen Arbeiten und Abhandlungen brillante Anlagen erkennen. – Haben Sie danach gesucht? – Seine besten Arbeiten schrieb er in seiner Jugend, noch bevor er 30 war. Aber seine Erkenntnisse wurden heftig kritisiert. Man erklärte sie für zu spekulativ und nicht genügend fundiert. – Sie haben genau 44 Worte über mich geschrieben.“
Moreau sagt all das leise, mit einem beinahe selbstironischen Fatalismus. Es ist jetzt eh nichts mehr zu ändern. Für ihn nicht und für seinen Gast auch nicht.

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