Das Loch in der Mitte

Betr.: 119. Geburtstag von Jean-Paul Sartre

Großprojekte wie die rechtzeitig zum Kafka-Jahr fertiggestellte dreibändige Biographie von Reiner Stach sind Projekte, mit denen der jeweilige Autor letztlich allein fertigwerden muss. Selbst wenn sich ein Verlag findet, der ein solches Anliegen mit einem Vorschuss unterstützt, muss der Schreibende den gewaltigen Aufwand selbst organisieren und sich etwa – Stach hat das gerade wieder betont! – von der Idee freimachen, er könne ihn nebenbei bewältigen und parallel noch einem Hauptberuf nachgehen, der ihn finanziell versorgt.
Die Erschaffung einer solchen Biographie ist ein Vollzeitjob!
Die meisten derartigen Unternehmungen sind auf der Strecke geblieben: unveröffentlicht oder wenigstens unvollständig, was auf dasselbe hinausläuft.

Besonders prominent ist das folgende Beispiel, sind die beiden Namen (der des Portraitierenden wie auch der des Portraitierten) doch denkbar groß!
Im Juni 1971 brachte Jean-Paul Sartre einen Teil seiner Flaubert-Biographie unter dem Titel „Der Idiot der Familie“ heraus. Sartre war stolz und optimistisch. Diesmal, erklärte er der Presse, wolle er »bis zum Ende gehen (…) Eines Tages muss ich einfach irgendetwas in meinem Leben zum Abschluss bringen.«
Nach dieser Ankündigung blieben dem linken Philosophen noch neun Lebensjahre.
Wie wir heute wissen, ist es bei einem Fragment geblieben. Wenn wir Sartre richtig verstehen, hat er also nach eigener Bewertung nichts in seinem Leben zuendegebracht.
Das Tragische daran ist: ausgerechnet der mittlere Teil der Buchreihe fehlt, jener, in dem sich Gustave Flaubert mit seinem Hauptwerk „Madame Bovary“ beschäftigt.

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