Wie neu ist „New Adult“?

„Liebe, Sex und Umsatzplus: Sogenannte New-Adult-Romane und ihre jungen Leserinnen retten gerade den Buchmarkt“, überschreibt das „SZ-Magazin“ seinen Artikel über das aktuelle Popkulturphänomen.* Mona Kasten, die erfolgreichste deutsche Vertreterin des Genres verfasst nach eigener Definition „Geschichten über Menschen, die vom Leben herausgefordert werden, über sich hinauswachsen – und sich dabei Hals über Kopf verlieben“. Mit dieser Mischung aus Reklame und Aufmotzen des eigenen Anspruchs hätte auch die notorische Hedwig Courths-Mahler (1867-1950) ihre einst rasend erfolgreichen und heute tief verachteten Kitschromane bewerben können. Was „New Adult“ von früheren Liebesroman-Konzepten unterscheidet, ist der latent para-feministische Selbstbetrug, dem sich die Leserin bei der Lektüre hingeben kann, und das nicht-dörfliche Ambiente. Außerdem die von den vorausgegangenen Fantasy-Wellen geschwelte Ausdrucksweise: „Meine Welt explodiert, und übrig bleibt ein Universum aus Sternen und Lichtern, in dem nur Platz für Ruby ist.“
„Zuerst war New Adult ein rein amerikanisches Phänomen, Verlage wollten jene Zielgruppe erschließen, die gerade aus der Jugendkultur, also Young Adult, herausgewachsen ist, und erfanden den nächstlogischen Begriff. Angesprochen werden junge Frauen im Alter von 16 bis 25. Was aber möchten diese lesen? Und das so dringend, dass sie darüber ihre Smartphones und Serien vergessen? (…) Als Referenzwerke für New Adult werden immer wieder zwei Romanreihen angegeben: ‚Harry Potter‘ trifft ‚50 Shades Of Grey‘, so formulierte es die ‚New York Times‘ 2012. In Deutschland kam das Genre erst fünf Jahre später mit Mona Kasten an. Heute löst ein nationaler Bestseller den nächsten ab, die Zahlen klingen selbst wie Fiktion: Menschen zwischen 16 und 19 Jahren gaben in Deutschland 2023 für Bücher 77% mehr Geld aus als noch 2019. Auch dank ihnen hat der Buchmarkt im Juli ein Umsatzplus von 2,8% verkündet.“ (SZ-Magazin)
Auch dieser löbliche Effekt erinnert an die Harry-Potter-Welle. Aber leider gilt auch: diese „Romane ähneln einander, als wären sie vom selben Algorithmus geschrieben worden“ und müssen ihre Leserinnen mit „seitenlange[n] Sexszenen“ bei der Stange halten. Sie „sind das Gegenstück zum Mainstreamporno, der mit einer Linse der männlichen Lust gedreht wird.“ Die ewig wiederkehrenden Erzählmuster nennt man „Tropes“, etwa „Enemies to Lovers“ (Feine werden Liebende), „Dark Academia“ (Schauplatz düstere Elite-Uni) oder „Rich Guy/Poor Girl“ – letzteres eine Konzeption, die die Benachteiligung der Frau in unserer Gesellschaft fortschreibt. Das ist kein Zufall. „Gesellschaftlich kann man die meisten New-Adult-Bücher durchaus kritisieren. Denn egal wie eigensinnig und unabhängig die Protagonistin ist [oder sich zu sein einbildet], bald schon liegt sie in den Armen eines starken Mannes. Und egal wie toxisch sich dieser Mann verhält, er gilt trotzdem als begehrenswert.“

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* Ausgabe Nr. 41 / 11.10,2024

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