So lebt „Die alte Mrs. Harris“ in der gleichnamigen Geschichte von Willa Cather.
Es war heiß in der leeren Küche. Die Nachmittagssonne fiel ungehindert herein. Die Tür zum Nebenzimmer stand offen. Es war ein vollgestopftes, hässliches Zimmer und doch irgendwie gemütlich. Vor einer Kleiderkiste, die von einem bunten Wachstuch bedeckt war, stand eine alte Frau in einem groben braunen Kleid und wusch sich Gesicht und Hals über einer Blechschüssel. Sie stand breitbeinig da, in einer Pose, die tiefe Müdigkeit verriet. (..) Sie faltete ihr Handtuch und versteckte es hinter einem Vorhang, mit dessen Hilfe eine Ecke des Raums zu einem behelfsmäßigen Schrank abgetrennt war. (…) Mrs. Harris setzte sich in den schwarzen Holzschaukelstuhl mit den gebogenen Armlehnen und einem verblichenen Sitzkissen. Er stand in der Ecke neben einem schmalen hölzernen Sofabett. (…) Es war ein eigenartiger Platz zum Kaffeetrinken, (…) ein scheußlicher vollgestopfter Raum mit einem Schaukelpferd, einer Nähmaschine und einem leeren Kinderwagen. Auf dem Nussholztisch unter einem blinden Fenster stapelten sich alte Zeitschriften und zerlesene Bücher, Kindermützen und -jacken. Eine Ecke des Raumes war mit einem schwarz-rot-gestreiften Baumwollstoff als Kleiderschrank abgeteilt. In einer anderen Ecke stand das hölzerne Sofa mit einer dünnen Matratze und einem roten Überwurf aus rauem Stoff. Das war Großmamas Bett. Daneben standen ihr Holzschaukelstuhl und ein kleiner, roher, geflochtener Hocker mit kurz gesägten Beinen, auf dem üblicherweise ihr Nähkorb stand …
Willa Cather wurde 1873 in Virginia geboren. Im Alter von acht Jahren übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Nebraska. Schon während ihres Studiums an der Universität in Lincoln war sie als Journalistin und Theaterkritikerin tätig, später als Englischlehrerin und als Zeitschriftenredakteurin in New York. Sie verfasste über sechzig Erzählungen, die ersten publizierte sie kaum zwanzigjährig in populären Wochen- und Monatszeitschriften. Mit ihren Romanen, die ab 1913 erschienen, hatte Cather große Erfolge. Die Erfahrungen eines Neben- und Miteinanders verschiedener Ethnien, Religionen und Kulturen in der Neuen Welt prägten sie, so spielen die meisten ihrer Werke in der Prärielandschaft des amerikanischen Westens und Südwestens (u.a. „Pioniere!“, „Meine Ántonia“). Willa Cather zählt zu den großen amerikanischen Erzählerinnen. Sie erhielt 1923 den Pulitzer-Preis für den Roman „One of Ours“, 1944 die Goldmedaille für ihr Gesamtwerk von der American Academy of Arts and Letters. 1947 starb sie in New York.