Fortsetzung vom 30.6.2025
Mit seiner Überführung ins Spandauer Kriegsverbrechergefängnis versöhnte sich Albert Speer in seinen „Spandauer Tagebüchern“ nicht, ohne an seine späteren Leser zu denken:
Als Architekt gewohnt, den Kubikmetergehalt des umbauten Raumes auszurechnen, habe ich vorhin überschlagen, daß das von uns sieben in Spandau bewohnte Gebäude etwa achtunddreißigtausend Kubikmeter hat. Mein Anteil von einem Siebentel entspräche einem kleinen Palais von über einer Million Bauwert. Noch nie in meinem Leben habe ich so aufwendig gewohnt.
Die Details seiner Unterbringung verschweigt er gleichwohl nicht:
3. Oktober 1947
(…) Meine Zelle ist drei Meter lang und 2,70 Meter breit. Würde ich die dicken Mauern hinzurechnen, so ergäben sich die doppelten Grundmaße. Sie ist vier Meter hoch, was mir das Gefühl der Beengung nimmt. Wie in Nürnberg ist auch hier die Verglasung durch bräunlich getrübtes Zelluloid ersetzt. Wenn ich jedoch auf meinen einfachen Holzschemel steige, den Kippflügel öffne, sehe ich durch ein starkes Eisengitter den Wipfel einer alten Akazie und nachts die Sterne.
Die Wände sind lehmgelb gestrichen, ihr oberster Teil und die Decke weiß gekalkt. Die Platte des Zellentisches ist 0,48 auf 0,81 Meter groß. Das schmutzige Braun blättert bereits ab, die härteren Teile der Jahresringe stehen heraus. Spuren der Abnutzung durch Generationen von Gefangenen. Auf dem Tisch liegen meist meine Utensilien herum: Tabakschachtel, Pfeifen, Rechenschieber, Fotos, Haarbürste, Aktendeckel, Bleistifte, Briefe, drei Bücher und die Bibel. Ein sowjetischer Wärter rügte mich neulich, der Tisch könne „mehr dschista“ (Sauberkeit) zeigen und mehr „kultura“ haben. Seine Ermahnung hat keinen Erfolg.
Als Ersatz für einen Schrank hängt in der Zelle ein kleines, offenes Regal von 0,43 auf 0,54 Meter mit einem Zwischenfach. Darauf werden Seife und anderer Krimskrams aufgehoben. An einigen Haken hängen meine Habseligkeiten, Jacke, Mantel und Handtücher. Das Bett ist ein schwarzes Eisengestell von 1,90 Mater Länge und 0,79 Meter Breite; die Federn hängen durch. Aber es hat, anders als die Betten in Nürnberg, Kopfkeil, Kopfkissen, Bezug und Laken. Auf fünf grauen Wolldecken steht in großen schwarzen Buchstaben „GBI“; sie stammen folglich aus einem Arbeitslager meiner früheren Dienststelle als Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt. Sie sind aus Zellwolle und geben daher keine Wärme, zudem sind sie schwer. Eine mit gepreßter Baumwolle gefüllte Matratze stammt aus St. Antonio in Texas, wie ein Stempel der amerikanischen Heeresverwaltung aussagt.
Am Tage verwandele ich das Bett in eine Couch, indem ich eine Wolldecke über die Matratze lege. Auf dieser Couch frühstücke, lese, schreibe, faulenze ich. Nach einigen Monaten habe ich mich an die kleinen Abmessungen meiner Zelle so gewöhnt, daß ich beschließe, später in meinen Bauten alle Zimmer klein zu machen. Die Vorteile überwiegen die Nachteile. So kann ich beispielsweise auf der Couch liegend mir etwas vom Tisch holen, nur indem ich mich zur Seite drehe und den arm ausstrecke. Der Arbeitsraum im geplanten Führerpalast hatte sechshundertfünfzig Quadratmeter.
Wie in Nürnberg hat die eiserne Zellentür eine quadratische Öffnung in Augenhöhe. Durch eine Lampe wird die Zelle nachts dürftig von außen beleuchtet. Meist ist die Tür doppelt verschlossen und verriegelt. Wenn das versäumt wird, fühle ich mich merkwürdigerweise unbehaglich. (…)
Nur in Hose und Strohpantoffeln gehe ich zum Waschen. (…)
4. Oktober 1947
Durch Druck auf den in jeder Zelle angebrachten Knopf ließ Funk heute die rote Scheibe in der Halle herausklappen. Auf diese Weise rufen wir die Wärter herbei. (…)