Depublikation – Ändern, was sich nicht mehr ändern lässt

Obwohl das Internet bekanntlich nichts vergisst, kann es immerhin guten Willen zeigen. Harald Martenstein erläutert das mit dem „Depubliziertwerden“ im „Zeit-Magazin“ aus der Perspektive des Betroffenen: „Eine Zeitung löscht im Netz einen bereits gedruckten Text, weil er angeblich furchtbar ist. Der Text ist vor allem deshalb furchtbar, weil er in einem für die Zeitung relevanten Milieu für Empörung sorgt. Auch in der Redaktion brennt die Luft Die Zeitung steht von innen und außen unter Druck. Der Text ist in der Welt, das lässt sich nicht ändern. Und er wird jetzt erst recht gelesen. Das Depublizieren im  Netz ist eine Demutsgeste, ein rituelles Opfer. Dem Autor des furchtbaren Textes wird öffentlich eine Backpfeife verpasst, in der Hoffnung, die Götter dadurch milde zu stimmen und Nachahmer abzuschrecken. Der Inhalt des Textes wird als Tabu markiert.“
Leider funktionieren die digitale Öffentlichkeit wie auch die von ihr geführten „Diskurse“ wie das sprichwörtliche ungezogene Kind, das eine Sache erst dann richtig sexy findet, wenn sie ihm verboten wird (Martenstein deutet es bereits an).
Es hat also Tradition. Die Methode hat Tradition und ihre Sinnlosigkeit ebenfalls. In der Ära der Holzmedien fiel sowas noch unter „Zensur“ bzw. „Selbstzensur“.
Im Fernsehen gab es für solche Inhalte früher den berühmten „Giftschrank“, aus dem Beiträge nach langer Schmorzeit auch wieder herauskommen konnten – so gut oder schlecht wie zuvor, jetzt aber eingestänkert mit dem lockenden Aroma des Skandals.

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