Der Song des Tages (1): „There Used To Be A Ballpark“

betr.: Frank Sinatra / „Sesamstraße“ / Watergate

Der aktuellste Song, den wir zurzeit auflegen / anklicken können, ist eine Ballade aus dem Jahre 1973 – ein Song, der unsere Bekümmerung darüber einfängt, dass der Sommer zumindest in diesem Jahr nicht wiederkommt.
Frank Sinatra sang „There Used To Be A Ballpark“ auf einem frühen seiner diversen Comeback-Alben: „Ol’ Blue Eyes Is Back”, das im Juni 1973 erschien. Er sang diesen Titel danach nur noch ein einziges Mal vor Publikum, viele Jahre später, hat ihn also fast nie wieder angerührt. (Das braucht uns nicht allzusehr zu irritieren. Bekanntlich hat er auch „Strangers In The Night“ gehaßt …) Obwohl dieser Titel typisch für den reifen Sinatra der „Reprise Years“ ist und mit „This Is All I Ask“, „September Of My Years“ oder „It Was A Very Good Year“ gleichsam eine Phalanx bildet, ist er nicht für ihn komponiert worden.

And There Used To Be A Ballpark
where the field was warm and green.
And the people played their crazy game
With a joy I’d never seen.
And the air was such a wonder
from the hot dogs and the beer.
Yes, There Used To Be A Ballpark – right here.

And there used to be rock candy
and a great big fourth of July
with the fireworks exploding,
all across the summer sky.
And the people watched in wonder –
how they laugh and how they cheer –
And There Used To Be A Ballpark – right here.

(…)

Der Komponist und Texter ist ein gewisser Joe Raposo, dessen Musik wir vor allem aus der „Sesamstraße“ kennen. Er schrieb die Titelmusik, Krümelmonsters Kekse-Song , „ABC-DEF-GHI“ und einen Titel, den zuerst Kermit der Frosch interpretierte, später noch Ray Charles, Van Morrison, Mabel Mercer, Manfred, Krug … und wiederum Frank Sinatra: „Bein‘ Green“.
Aber wie kam es zu „There Used To Be A Ballpark“?

1973 plante Barbra Streisand ein TV-Special mit dem Titel „Barbra’s Brooklyn“. Der Autor der Show, Pete Hamil, nahm Raposo mit zu einem Streifzug durch Brooklyn, um sich Anregungen zu verschaffen und nach Drehorten zu suchen. Gleich der erste Halt war „Ebbets Field“, früher die Heimat der berühmten Brooklyn Dodgers, die 1958 nach Los Angeles umgesiedelt waren. (Der Verkauf einer Mannschaft – heute ein alltäglicher Vorgang in der Sportindustrie – war Ende der 50er Jahre ein Schock für die Fans.) Direkt neben dem ehemaligen Baseballfeld stand ein Wohnprojekt, zu dem ein eingezäuntes Rasenstück gehörte. Dort war ein Schild aufgestellt: „Ballspielen verboten!“ „Noch am selben Abend“ (wie es dann immer so schön heißt) schrieb Raposo „There Used To Be A Ballpark“. Er wird dabei auch an die Ausflüge nach Fenway Park zurückgedacht haben, wo er als kleiner Junge den Red Sox zugejubelt hatte.

Das Streisand-Special wurde nicht realisiert, der Song landete also bei Frank Sinatra und bekam dadurch eine zusätzliche Tiefe und Wirksamkeit. Zunächst einmal gedieh ihm die bei „Reprise Records“ übliche Sorgfalt und Hingabe an – z.B. ein Arrangement durch den fähigen Nelson Riddle – aber auch Sinatras Interpretation könnte nicht definitiver sein.

Now the children try to find it,
and they can’t believe their eyes
cause the old team just isn’t playing
and the new team hardly tries.
And the sky has got so cloudy
when it used to be so clear.
And the summer went so quickly this year.
Yes, There Used To Be A Ballpark – right here!

Das damalige US-Publikum dürfte diese Stimmung gut nachvollzogen haben. Mit Richard Nixon entzauberte gerade ein amtierender Präsident sein Amt und das bisher unerschütterliche Selbstbewußtsein einer Nation der „guten Jungs“. (Noch hatte ja kein Mensch eine Ahnung davon, dass noch ein George W. Bush ins Weiße Haus stand!) Die amerikanische Jugend befand sich nach dem „Summer Of Love“ der 60er Jahre (auch der war unwiderbringlich vorbei) in einer gewissen Katerstimmung und ging gegen den Vietnamkrieg auf die Straße.
All das ist heute weit weg, und doch
verstehen auch wir den Song. Schließlich ist der Sommer vorbei. Und wie jedes Jahr um diese Zeit tun wir ein bißchen so, als gäbe es im nächsten Jahr keinen mehr.

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