„Mrs. Peel, warum haben Sie das gemacht?“

Betr.: Frankfurter Buchmesse / Literaturverfilmungen*

Gibt es eine „beste Literaturverfilmung“? Schon möglich – wahrscheinlich ist es eine nach Tennessee Williams, der überdurchschnittlich großes Glück mit den filmischen Umsetzungen seiner Arbeiten hatte. Jedenfalls gibt es – darauf können wir uns wohl alle einigen – mehr schlechte als gute Literaturverfilmungen – wie es auch mehr schlechten als genießbaren Rotwein, mehr langweilige als spannende Fernsehserien und mehr Büchsenöffner als gute Köche gibt. Obwohl die Auswahl hier also ins Unendliche geht, glaube ich sicher sagen zu können, welches die vermurksteste Literaturverfilmung ist. Als ich sie sah, war ich jedenfalls so fassungslos, so gelähmt vor Entsetzen, dass ich nicht einmal die Kraft hatte, den Fernseher abzuschalten. (Sie ahnen es schon: diesmal hatte ich das Buch vorher gelesen.)

Der Kriminalroman „Eine ganz andere Geschichte“ von
Håkan Nesser läuft auf zwei Ebenen ab. Die Rahmenhandlung ist ein Fall des Nesser-Reihenhelden Gunnar Barbarotti. Er jagt einen Serienmörder – also das Alltäglichste, was es mittlerweile in einem Krimi geben kann. Ist das nicht arg konventionell für Håkan Nesser? Jahaha, aber es ist ja wie gesagt nur die Rahmenhandlung. Während Ermittler Barbarotti vom Täter abwechselnd mit Briefen und Leichen geneckt wird – nach dem inzwischen standardisierten Motto „Der Schuft gibt uns Hinweise, aber wir können sie nicht deuten!“ – bekommt der Leser in jedem zweiten Kapitel Tagebucheintragungen vorgeführt, die in Rückblenden das Motiv des geheimnisvollen Mörders offenlegen. Der Titel hat es schon angedeutet – das ist die eigentliche Geschichte, „eine ganz andere Geschichte“ eben: Eine Gruppe junger Urlauber, die sich eher zufällig gefunden hat, gibt einem aufdringlichen pubertierenden Mädchen nach, dass sich ihnen – den Erwachsenen – unbedingt beim Ausflug auf eine Insel anschließen möchte. Die Aktion verläuft anders als geplant, und in sämtlichen Charakteren kommt das jeweils Übelste zum Vorschein. Ein verstörendes Horror-Kammerspiel, angesiedelt irgendwo zwischen Jean-Paul Sartre und H. P. Lovecraft.
In der ARD-Version kommt das alles gar nicht vor. Alles was wir sehen, ist ein TV-Kommissar, der regelmäßig Briefe aufmacht, ausruft: „Der Schuft gibt uns Hinweise, aber wir können sie nicht deuten!“, dann wieder eine Leiche findet, dann wieder einen Brief öffnet. Hannu Salonen und seine Freunde haben ein wunderschönes Geschenk bekommen, es ausgepackt, weggeschmissen und mit der Verpackung herumgespielt.

In Hollywood kursiert der Spruch: „Eine Freundschaft kann viel vertragen – nur nicht, dass der eine einen Film aus dem Buch des anderen macht.“ Entspannt euch, Leute – im Deutschen Fernsehen geht es schlimmer zu!


* Das DVD-Label ARTHAUS legt gemeinsam mit dem Reclam-Verlag eine DVD-Edition
mit 20 ausgewählten Literaturverfilmungen aus 50 Jahren Filmgeschichte vor.  Auf der laufenden Frankfurter Buchmesse wird der Regisseur Anton Corbijn für seine John-le-Carré-Verfilmung „A Most Wanted Man“ mit dem Preis für die beste internationale Literaturverfilmung ausgezeichnet.

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