Angebote an den Volksmund (9)

betr.: Gesellschaft und Kommunikation

Ein großer Wortschatz ist in den Zeiten der Smartphone-Pictogramme, Grummelsmileys und 160-Zeichen-Beschränkung nicht mehr ‚in‘ – aber für alle interessant, die gerne (im positiven Sinne) aus der Masse ausscheren wollen. In dieser Rubrik werden hübsche Ausdrücke vorgestellt, die nicht (mehr) gebräuchlich sind – und das zu meinem Bedauern.

Dracula-Block
= senderinterne Bezeichnung für den kurzzeitig erwogenen, aber nie realisierten Werbeblock nach Mitternacht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, als Mitte der 80er Jahre das Privatfernsehen in Deutschland eingeführt und damit erstmals sogar Spielfilme von Werbung unterbrochen wurden. (Damals gab es noch einen Sendeschluß nach 1 Uhr nachts.)
Quelle: medialer Sozialneid.

Elativ
= vergessene letzte Steigerungsform des Adjektivs nach
Positiv – Komparativ – Superlativ“ („doof“ – „döfer“ – „am döftsten“). Er ist länger als die vorherigen Formen und flexibel gestaltbar, kann also Präfixe aus der Mundart nutzen und aktuelle Strömungen berücksichtigen („voll am döftsten“, „am ultra-döfsten“ oder schlicht „am döööftsten“.)
Quelle: der Duden, außerdem anschaulich erläutert in Hermann Burgers Monolog „Der Orchesterdiener“.

Erikativ
= mutierter Seitenarm der → „Onomatopoesie“, Übertragung einer Tätigkeit in Lautmalerei, vor allem in Comics: z.B. „grins, kicher“ – wenn sich jemand diebisch freut, „grummel“ – wenn jemand schmollt oder „grübel, grübel, denk, denk“ – wenn jemand besonders angestrengt überlegt. Die Konstruktion entspricht also dem Imperativ des betreffenden Zeitwortes.
Der Comiczeichner Ralf König bereicherte dieses Prinzip um weitere Deklinationen und Verkettungen („Türenklapp“, „zeter-hader-zank-keif“) – hier könnte man vom Könikativ sprechen.
Quelle: der Begriff leitet sich vom Vornamen der wichtigsten Comic-Übersetzerin der deutschen Geschichte und des Ehapa-Verlags her, Frau Dr. Erika Fuchs, die die „Micky Maus“-Hefte betreute und die heute vor allem darauf reduziert wird, in diesem Zusammenhang auch die Meisterwerke des Donald-Duck-Zeichners / -Autors Carl Barks übersetzt zu haben. Auf ihr Konto gehen auch (zuweilen adaptierte) Substantive wie „Geldspeicher“ und „Panzerknacker“ und Figurennamen: „Daniel Düsentrieb“, „Onkel Dagobert“ u.a.

Filzstift
= Lehrling beim Zoll
Quelle = Kalauer aus den 70er Jahren, damals regelmäßig auffindbar auf den mittlerweile abgeschafften Witzseiten in Programmzeitschriften, später reproduziert in Humorprogrammen auf der Bühne und im Radio

Flaumbaum
= hoch aufgeschossener pubertierender Knabe

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