Albernes über das Lachen

betr.: 89. Geburtstag von Kenneth Williams / SPIEGEL-Gespräch mit dem Philosophen Lenz Prütting über das Wesen des Lachens (Ausgabe 8/2015)

In einem Interview zu seinem 100. Geburtstag sagte ein Mann, der sich den Status des Fachhumoristen redlich verdient hatte: „Man kann unmöglich etwas Böses tun, während man lacht!“ Als Entdecker und Produzent von Laurel & Hardy verdient Hal Roach meinen Respekt und meine immerwährende Dankbarkeit, aber die Naivität dieser Äußerung ließ mich doch zusammenzucken. Lachen ist bekanntlich unverzichtbarer Bestandteil von Hohn und Spott und wurde von den Philosophen längst als Waffe anerkannt. (Wer verspottet, lacht ja nicht zwangsläufig weniger herzlich.)
Gern wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, es gäbe ohnehin nur vier Witze, und alle, die wir uns so erzählen, seien nur Variationen davon. (Leider verraten uns die Verkünder dieser Argumentation nie, um welche vier Witze es sich handelt.)
Wenn man erst einmal darüber nachdenkt, könnte man auf die Idee kommen, es gäbe eigentlich nur einen einzigen Witz: das Mißgeschick des anderen. Der künstlich erzeugte Lacher, also praktisch alles humoristische Handwerk, beruht auf Schadenfreude. Das mag man unsympathisch finden, aber so sieht es aus. Egal, ob man sich nun über Slapstick amüsiert (der Klassiker vom Ausrutschen und Hinfallen, die Besudelung der Ehre durch eine harmlose Sahnetorte …), über regionale Eigenheiten (also den ulkigen Dialekt von anderswoher), eine Komödie (wie schön, dass diese Ertappung / Verwechslung / Verlegenheit nicht mir passiert ist), eine Parodie (anderer Leute Marotten, Ungeschicklichkeiten und deren fehlende Selbstkontrolle), eine Zote (Ätsch – die Alte ist ja doch rumzukriegen), Satire (Majestät ist doof, der Herr Minister hat sich erwischen lassen) oder possierliche Anblicke wie Kinder und Haustiere (’n bißchen kurz, die Stummelbeinchen) – es ist Hohn im Spiel. Das ist allzumenschlich und bedeutet ja auch nicht, dass wir alle Sadisten sind, die sich grundsätzlich über jedes Unheil freuen. Wir tun es aber eben auch gerne mal, und besonders gern im Publikum – also dort, wo ja effektiv niemand zu Schaden kommt.

In der vorletzten Ausgabe des SPIEGEL macht sich der Philosoph Lenz Prütting Gedanken über das Lachen. Er benennt drei „phänomenologische“ Arten des Lachens: das „Bekundungslachen“, das aus uns herausplatze und nicht steuerbar sei (zB. bei „guten [!] Witzen“), das „Lachen als Handlungsverhalten“ (dazu zähle das „An- und Auslachen“) und schließlich das „Resonanzlachen“ (man lacht mit, weil andere auch lachen). Eine weit verbreitete Variante fehlt hier, eine die Herrn Prüttings Ideal vom Lacher mit dem Goldenen Herzen sogar recht nahe kommt: das Lachen aus Konvention und Selbstverpflichtung – und damit wären wir beim Unterhaltungsangebot des Fernsehens.
Wenn ein Fernsehkomiker oder -kabarettist (wie so oft) einen Satz sagt, der eigentlich keinen Gag (im Sinne einer Überraschung) beinhaltet sondern Zustimmung einfordert („Sie kennen das doch auch! Frauen brauchen immer so lange im Bad!“ oder beginnend mit der gemeinmachenden Einführung „Ist Ihnen eigentlich auch schon aufgefallen, dass …?“), und es wird trotzdem brav gelacht, dann hat das wenig mit Schadenfreude und gar nichts mit Humor zu tun, es ist reine Höflichkeit. Mein Kummer mit unserer „Lachkultur“ liegt nicht an der schadenfrohen Natur der Comedy sondern (im Gegenteil!) daran, dass mir die Pointen fehlen.

Eine Pointe, die wirklich zum Lachen ist, kommt nicht ohne Bosheit aus. Diese Sichtweise ist Herrn Prütting zu unromantisch. Er unternimmt den Versuch, das Lachen (also dessen natürlichen Normalzustand) als Zeichen von Humanismus und Herzensgüte zu verkaufen, von allem Übel zu trennen und alle sonstigen Lacher als Ausdruck einer bösen Verirrung unserer „Lachkultur“ hinzustellen.
Oder sollte das ein Witz sein?

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