Baden verboten!

betr.: 70 Jahre Ende des Nationalsozialismus (2)

Es folgt ein Gastbeitrag von Christoph Dompke, mit dem ich gestern an dieser Stelle ein Gespräch geführt habe. Der Text stammt aus einem unrealisierten Buch über Nazis als Filmschurken. Hier wären vor allem Beiträge aus dem Repertoire des Trashkinos erörtert worden.

ZOMBIE LAKE
auch „El Lago de los muertos vivientes“ / „The Lake of the Living Dead“ F/ESP 1981 (90 min.), Produktion: Eurociné und Julian Esteban Films, Darsteller: Howard Vernon, Pierre-Marie Escourrou, Anouchka, Antonio Mayans, Nadine Pascal, Youri Radionow, Burt Altman, Gilda Arancio, Marcia Sharif, Yvonne Dany, Jean Rene Bleu, Jean Rollin u.a., Musik: Daniel White, Drehbuch: Jess Franco, Regie: Jean Rollin

Die Kollaboration von Franzosen mit der deutschen Besatzungsmacht ist ein lange und besonders in Frankreich totgeschwiegenes Thema gewesen. 1980 war es trotzdem und endlich auch in der Schmuddelfilmabteilung von Eurociné angekommen, in einer französisch-spanischen Koproduktion unter der Regie von Julian de Laserna (und wahrscheinlich auch von Jean Rollin).

Inhalt

In einem etwas rückständigen französischen Dorf gibt es einen See. Dort badet eine schöne, nackte Frau. Warum auch nicht? Was sie nicht weiß und was sie wahrscheinlich vom Baden, zumindest im nackten Zustand, abhalten würde: unter einer der schön drapierten Wasserrosen wartet ein grässlicher, grüngesichtiger Zombie darauf, sie zu verspeisen – was auch geschieht.
Dieses erste Todesopfer bringt eine Reporterin ins Dorf. Sie stößt auf eine Mauer des Schweigens. Was haben die Franzosen zu verbergen? Eine Rückblende gibt uns Aufschluss.

Irgendwann im Zweiten Weltkrieg – man denkt sich das eher, als dass man es an den Kostümen erkennen könnte – sind die Deutschen im Dorf. Einer hat Sex mit einer Französin. Zwischendurch gibt es bedeutungsschwangere Kameraschwenks auf den See. Dann werden alle Deutschen von den aufrechten Franzosen erschossen und ihre Leichen in den See geworfen. Die Deutschen sind übrigens gänzlich stumm. Soll das ein Hinweis sein, dass die deutschen Barbaren das Recht des Sprechens, was ja ein Akt der Kultur ist, verloren haben? Oder hat man, um Kosten zu sparen, für die Darsteller der deutschen Zombies in einem Heim für Taubstumme gecastet? Im Hintergrund plärrt billiger Rachmaninoff. Rückblenden sind ja ein Segen, und so erfahren wir, dass die Sex-Kollaborateurin tot ist. Welche Strafe Gottes sie getroffen hat, erfahren wir nicht. Wahrscheinlich hat sie sich umgebracht. Aber die Frucht der Sünde hat überlebt, und so kommen wir auch noch in den Genuss eines kleinen Mädchens, einer Bereicherung für jeden Horrorfilm. Ende der Rückblende.

Wir befinden uns wieder in der Jetztzeit der Herstellung des Films irgendwann in den späten 70er Jahren. Das Kollaborationskind ist ebenfalls von Gott gestraft worden, denn es ist trotz der verstrichenen Zeit seit Ende des Zweiten Weltkrieges erst etwa neun Jahre alt. Tatsächlich müsste es etwa dreißig Jahre alt sein, aber wer will bei einem so ernsten Thema schon kleinlich sein?
Inzwischen hat sich, unbemerkt von dem Mädchen, das nicht groß werden wollte oder konnte, eine Mädchenturngruppe – bevorzugte Opfer in vielen Horrorfilmen – an den Gestaden des Sees niedergelassen. Sie ziehen sich aus und springen in den See. Nun wartet der Regisseur mit tollen Unterwasseraufnahmen auf. Sie sehen so aus, als hätte jemand eine Sofortbildkamera in ein Aquarium mit Plastikblumen gehalten. Das fröhliche Treiben der Nackten weckt die Zombies wieder aus ihrem Schlaf. Sie richten ein fürchterliches Massaker unter den unbekleideten Bade- und Busenschönheiten an. Wobei sie sich eher wie Vampire benehmen: Sie saugen ihren Opfern das Blut aus. Puristen würden folglich auch nicht von einem Zombiefilm im engeren Sinne sprechen. Doch wen kümmert‛s angesichts einen solchen kleinen Meisterwerks. Eine Nackte überlebt. Sie läuft weiterhin unverhüllt und schreiend in die Dorfkneipe und brüllt: „The Lake! The Lake! The Lake!“ (Hier also hat David Lynch abgeschaut, als er Isabella Rossellini nach der Begegnung mit Dennis Hopper – auch einer Art Zombie – nackt über die Straßen seines Films „Blue Velvet“ schickte.) Bedauerlich, dass „Zombie Lake“ nie in deutsche Kinos kam und dies, wo die Deutschen Vergangenheitsbewältigung doch so nötig haben.* Der Grund dafür war aber sicherlich nur, dass der einzig mögliche Titel für eine deutsche Synchronfassung schon vergeben war: „Sie waren nackt und mussten sterben“. (Die amerikanische Produktion „Black Autumn“ hatte diesen Titel schon 1963 abgestaubt. Übrigens auch ein sehr schöner Film, mit einem geistesgestörten, massenmordenden kleinen Mädchen.)

Die Badeschönheiten haben die Zombies offensichtlich so angemacht, dass diese jetzt alle aus dem See herauskommen und über die Dörfler herfallen. Erstaunlich ist nur: Es gibt viel mehr Zombies, als vorher deutsche Soldaten in den Teich geworfen wurden. Da hat also offensichtlich ein verrückter deutscher Wissenschaftler under the sea mittels Genexperimenten die Population auf wundervolle Weise vergrößert.
Auf jeden Fall rüsten die Untoten nun zum letzten Kampf, quasi zur Schlacht von Stalingrad des Zombiefilms. Immer mehr von ihnen kommen aus dem See. Und wieder muss man die Unterwasseraufnahmen loben: Sie sind von so brillanter Clarté, dass man sogar die Rückwand des Bassins erkennt, in welchem gefilmt wurde.
Da sich die Zombies nun aber auf so unerwartete Weise vermehrt haben, ist der Maskenabteilung offenbar die grüne Farbe ausgegangen. Denn bei einigen der Zombies, die ihre Arme nach vorne ausstrecken, sieht man deutlich, dass die grüne Farbe nur bis zum Handgelenk reicht. Die rasende Reporterin ist eines der ersten Opfer. Im Gegensatz zur grünen Farbe, wurde mit Kunstblut deutlich weniger sparsam umgegangen.

Zum Thema Kunstblut darf denn auch die kleine Frucht der Kollaboration ihren Beitrag leisten. Sie hat inzwischen die Wahrheit über sich und die lieben Anverwandten herausgefunden, und eigentlich wäre nun Gelegenheit, ein schönes deutsches Volkslied zu singen, zum Beispiel: „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider. Grün, grün, grün ist alles was ich hab. Darum lieb ich alles, was so grün ist, weil man Vater ein Nazi-Zombie ist!“ Tut sie aber leider nicht. Stattdessen bringt sie ihrem blonden Vater, dessen Haare unter Wasser strohblond geblieben sind, weil wahrscheinlich das grüne Färbemittel zu teuer war, einen Eimer mit frischem Blut. Sie hat sich ganz offensichtlich mittlerweile auch mit seinen Ernährungsgewohnheiten vertraut gemacht. Vater trinkt und der Zuschauer fühlt sich auf etwas unappetitliche Weise ans heilige Abendmahl erinnert.

Finale: Alle Zombies werden von aufgebrachten Dorfbewohnern mit Flammenwerfern ihrem endgültigen Erlösungstod überantwortet. Wobei man im Flammenmeer keinen einzigen der Strolche verbrennen sieht, abgesehen von einem einzigen Zombie-Dummie. Der grüne Zombie-Vater sagt noch: „Don’t forget me!“ Sein Kind und alle Dorfbewohner sind erschüttert. Ende.

Fazit

Was sagt uns der Film? Zum ersten: Man braucht auch für Zombiefilme, gerade, wenn sie ein so brisantes Thema anpacken, eine gute Logistik-Abteilung. Merke: für dreißig grüne Zombies will ausreichend Farbe eingekauft werden. Der Film hat natürlich auch einen vulgärpsychologischen Clou, und der lautet zum zweiten: Man kann der Vergangenheit, speziell der deutschen, nicht entkommen. Selbst wenn man sie auf dem Grunde eines tiefen Sees versenkt glaubt, kommt sie immer wieder an die Oberfläche. Zum dritten: Jetzt wird es interessant! Durch den Überfall der Zombies und das von ihnen angerichtete Massaker sind die besonders schlechten Schauspieler ausgemerzt worden. Die Darsteller der Dorfbewohner, die zum Schluss übrig bleiben, machen ihre Sache ganz anständig. Hier dürfen nun halbwegs ordentliche Darsteller ihr Gesicht in die Kamera halten. Darum haben auch die Schlussszenen des Films durchaus ihre ergreifenden Momente. Nicht zuletzt, weil man als Zuschauer auch endlich erlöst wird.

Wer hat aber genau dafür Sorge getragen? Die deutschen Zombies! Und deshalb haben wir es bei „Zombie-Lake“ eindeutig mit der Paraphrasierung eines sehr bekannten Gedichtes von Emanuel Geibel zu tun: „Und es soll am deutschen Wesen, einmal noch die Welt genesen.“ Nun ist am deutschen Wesen ganz sicher nicht die Welt genesen, aber immerhin das Genre des Unterwasser-Nazi-Zombie-Films. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für den Cineasten.

Christoph Dompke

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* Zumindest auf DVD wurde das inzwischen nachgeholt. Der Film heißt nun „Sumpf der lebenden Toten“ und erschien limitiert bei AVV.

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