Käpt’n Nemo 2.0

betr.: 89. Geburtstag von Leone Cimpellin

Leone Cimpellin ist einer jener Comic-Künstler, deren Nachruhm sehr unter dem schöpferischen Reichtum des Umfeldes gelitten hat. Er gehört zum unüberschaubaren Heer der frankobelgischen Comic-Produktion mit all ihren modernen Klassikern und Geheimtipps und hat sich dem Blickfeld auch der kundigen Leserschaft längst entzogen. Keine der von ihm geschaffenen Figuren ist annähernd so oft reproduziert worden wie der Tiger, den er 1967 für das Logo von ESSO gezeichnet hat. Aber dieser Kreative hatte noch mehr zu erzählen.

Begonnen hat der Italiener Leone Cimpellin als Assistent von Lina Buffolente, an deren „Kleinen König“ sich viele noch erinnern. Ab 1952 schuf er eigene Serien: „Jonny Logan“ (mit dem Szenaristen Romano Garofalo), „Lug“ und zu meinem besonderen Vergnügen „Tom Patapom“. Diese Serie erzählt die Erlebnisse eines halbwüchsigen Franzosen, der im Jahre 1691 davon träumt, ferne Länder zu sehen und dessen Wunsch sich prompt erfüllt – wie wir von Oscar Wilde wissen, die beste Methode der Götter, uns zu strafen.
Die Serie berichtet, wie Tom jahrelang über die buchstäblichen „sieben Meere“ – vor allem aber über den Atlantik – irrt, um wieder nach Hause zu kommen, längst krank vor Heimweh. Ein Hasenfuß ist er ohnehin – gefährlichen Situationen geht er lieber aus dem Weg, und genau deshalb gerät er ständig in solche hinein.

Zwei der 40seitigen „Patapom“-Stories sind mir in Erinnerung geblieben: das Indianerabenteuer „Im Tal der Hippies“ und ein finsteres Seemannsgarn mit dem Titel „Der Unterwasser-Tyrann“. Diese Geschichte war zuerst am 11. Dezember 1969 in der 11. Ausgabe des französischen Comic-Magazins „Tchak!“ erschienen. Wir Babyboomer konnten sie Anfang der 70er Jahre von drei auf vier Zeilen umformatiert in der Zeitschrift „Felix“ in Fortsetzungen lesen. „Der Unterwasser-Tyrann“ („Le pirate des abîmes“) erzählt von einem außer Kontrolle geratenen Schachroboter namens Oskar. Er hat seinen Erbauer, einen Piraten, der etwas gefährlicher tut als er ist, überwältigt und dessen unter dem Meeresgrund liegendes Hauptquartier übernommen. Von dort aus saugt er vorbeikommende Schiffe mit einem künstlich erzeugten Strudel zu sich hinab, plündert sie und unterwirft ihre Mannschaften mittels Hypnose.
Als einige dieser Abenteuer nach langer Zeit in alten „Felix“-Heften nochmals las (die Serie erschien außerdem vereinzelt in der Taschenbuchreihe „Feuerwerk“), fiel mir wieder ein, wie ich mich als Halbwüchsiger im Dialog mit Erwachsenen gefühlt habe. Kinder wurden damals (mit allen Vor- und Nachteilen) noch nicht so verpimpelt wie es heute in Teilen unserer Gesellschaft und auch in unseren Kinderfunk- und -literaturprodukten geschieht.

„Tom Patapom“ findet sich nicht bei Wikipedia und hat keine Homepage. Daher sei hier noch etwas zu diesem Serienhelden gesagt:
„Wikinger und Wilder Westen“ beschreibt Toms Aufbruch in die große weite Welt aus der Hafenstadt Köhmbuddl. Bis er seine Heimat wiedersieht, bekommt er es mit retrofuturistischer Raketentechnik zu tun („Die geheimnisvolle Insel“), mit Dinosauriern („Im Reich der Knöchelblüte“) und den Revoluzzern einer Bananrepublik, soll mit einer runzligen Gouverneurstochter verheiratet werden („Niemals unter den Pantoffel“) und gerät sogar an Bord einer fliegenden Untertasse vom Planeten Omega („Kosmische Weltenbummler“). Das reguläre Personal stellen die Menschen des frühen 17. Jahrhunderts, also z.B. Indianer, Piraten und invasive Europäer in der Neuen Welt.

Dies sind die 18 Patapom-Abenteuer mit den Magazinen, in denen sie abgedruckt waren und ihren Originaltiteln, soweit ich sie ermitteln konnte. (Für das letzte Abenteuer konnte ich keine Originalfassung feststellen.)
Die Patapom-Titelbilder der „Tchak!“-Reihe sind unter https://bdmonjournal.free.fr/tchak/tchak01.htm zu finden. Unter http//www.catawiki.nl/catalogus/strips/series-helden/171043-tom-patapom gibt es einige Infos und wiederum Originalseiten.

1. „Wikinger und Wilder Westen“ (Felix Nr. 691 – 693, Bastei Verlag 6. – 20. Januar 1972)
„Le naufragé de la Térébenthine“ (Tchak! Nr. 1, Juli 1968)

2. „Luftikus in 1000 Nöten“ (Felix Nr. 694 – 696, 27. Januar – 10. Februar 1972)
„La diabolique invention“ (Tchak! Nr. 2, Oktober 1968)

3. „Im Tal der Hippies“ (Felix Nr. 697 – 699, 17. Februar – 2. März 1972)
„La vallée des hippies“ (Tchak! Nr. 3, Januar 1969)

4. „Im Griff der Teufelskralle“ (Felix Nr. 700 – 702, 9. – 23. März 1972)
„Dans les griffes de Croc-D’acier“ (Tchak! Nr. 4, Mai 1969)

5. „Die geheimnisvolle Insel“ (Felix Nr. 703 – 707, 30. März – 27. April 1972)
„L’île mystérieuse“ (Tchak! Nr. 5, Juni 1969)

6. „Im Reich der Knöchelblüte“ (Felix Nr. 708 – 711, 4. – 25. Mai 1972)
„Fleur de Tibia“ (Tchak! Nr. 6, Juli 1969)

7. „Die Pechvögel“ (Felix Nr. 712 – 715, 1. – 22. Juni 1972)
„La déveine des déveines“ (Tchak! Nr. 7, August 1969)

8. „Unter Piraten“ (Felix Nr. 716 – 719, 29. Juni – 20. Juli)
„Le pince-nez d’Orteil Enflé“ (Tchak! Nr. 8, September 1969)

9. „Niemals unter den Pantoffel“ (Felix Nr. 720 – 723, 27. Juli – 17. August 1972)
„Plutôt mourir !!!“ (Tchak! Nr. 9, Oktober 1969)

10. „Ein Faß für alle Fälle“ (Felix Nr. 724 – 726, 24. August – 7. September 1972)
„Le sous-marin terrestre“ (Tchak! Nr. 10, November 1969)

11. „Der Unterwasser Tyrann“ (Felix Nr. 727 – 729, 14. – 28. September 1972)
„Le pirate des abîmes“ (Tchak! Nr. 11, Dezember 1969)

12. „Die Ritter voller Furcht und Tadel“ (Felix Nr. 730 – 732, 5. – 19. Oktober 1972)
„Bizarre… autant qu’étrange !!!“ (bzw. „Pizarre… autant qu’étrange !!!“ ) (Tchak! Nr. 12, Januar 1970)

13. „Kosmische Weltenbummler“ (Felix Nr. 733 – 736, 26. Oktober – 16. November 1972)
„Un grand ‚Boum‘ dans le ciel“ (Tchak! Nr. 13, Februar 1970)

14. „Prinz Chinchilla und der Schatz der Inka“ (Felix Nr. 737 – 740, 23. November – 14. Dezember 1972)
„Le cruel Boboalestomac“ (Ooooh! Nr. 5, August 1970)

15. „Das schwimmende Haus“ (Felix Nr. 741 – 744, 21. Dezember 1972 – 11. Januar 1973)
„?“ (Brik Nr. 158, Juli 1972)

16. „Seltsame Leute, diese Australier“ (Felix Nr. 745 – 748, 18. Januar – 8. Februar 1973)
„Ils sont bizarres ces australiens“ (Brik Nr. 159, Oktober 1972)

17. „Unter Räubern und Banditen“ (Felix Nr. 749 – 751, 15. Februar – 1. März 1973)
„22 ! Les brigands !“ (Brik Nr. 160, Januar 1973)

18. „Ende gut, alles gut“ (Felix Nr. 752 – 753, 8. – 15. März 1973)

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