Die wiedergefundene Textstelle (23): Plädoyer eines freien Mannes

betr.: 26. Todestag von Richard Quine

Die in dieser Reihe präsentierten Texte sind kleine Schauspiel- bzw. Vorsprechmonologe, die von der (pädagogischen) Fachwelt übersehen / abgelehnt werden, weil sie nicht aus den üblichen Quellen stammen. Sie teilen sich nach meiner Einschätzung auch ohne die hier gelieferte Hinführung auf die eine oder andere Weise mit.

Der Film „How To Murder Your Wife?“ ist eine typische amerikanische 60er-Jahre-Komödie: mit herrlichen Technicolor-Farben, schicken Möbeln und Klamotten, einem swingenden Soundtrack von Neal Hefti und einem bestens aufgelegten Jack Lemmon in der Hauptrolle. Lemmon spielt einen gefeierten Comic-Zeichner, der als letzter Mann seines Freundeskreises noch unverheiratet ist, also weit uns breit der einzige körperlich fitte, selbstbestimmt lebende, glückliche Mann seines Alters.
Um der Geschichte einen Konflikt zu verschaffen, muß auch er nun verheiratet werden (unfreiwillig, im Rausch, im Rahmen eines Party-Ulks), und es tröstet ihn wenig, dass die frischgebackene Gattin die wunderschöne und fabelhaft kochende Blondine Virna Lisi ist.
Sie ist zu keiner Zeit in Lebensgefahr, dennoch hat der Titel es – drei Jahre nach dem Tod von Konrad Adenauer – sogar in die deutsche Version des Films geschafft: „Wie bringt man seine Frau um?“
Damals galt der Film als recht frech, heute würde er von einem Teil der Bevölkerung vermutlich als Skandal empfunden und ins Zentrum eines wüsten Shitstorms gerückt.
Ohne zu viel von der Handlung verraten zu wollen: im 3. Akt findet sich Jack Lemmon tatsächlich vor Gericht wieder – und verteidigt sich selbst:


Glauben Sie wirklich an die Ehe? Ich meine, glauben Sie an die Ehe als soziale Institution?
Für mich, auf den, wie du freundlicherweise bemerkt hast, der elektrische Stuhl wartet, ist das eine lebenswichtige Frage – aber gut, ich werde versuchen, sie noch mal, nur anders zu stellen.
(Malt einen Kreidepunkt auf das Geländer zur Jury)

Wollen wir uns vorstellen, dass dieser Punkt, dieser kleine weisse Kreis, den ich hier aufgemalt habe, ein Knopf ist … ein weißer Knopf!
Und jetzt wollen wir annehmen, dass du nur auf diesen Knopf zu drücken brauchst, und deine Frau Edna, mit der du elf wundervolle, glückliche Jahre verheiratet bist, ist auf magische Weise plötzlich verschwunden!
Wie in der „verschwundenen Braut“. Einfach nicht mehr da! Weg wie ein Geist!
Es kommen noch zwei wichtige Punkte dazu. Ihr Verschwinden wäre absolut harmlos, es würde keinem Menschen auffallen. Aber was noch wichtiger ist: niemand – ich wiederhole: niemand! – würde jemals erfahren, dass du es warst, der auf den Knopf gedrückt hat!
Harold! Wie alt bist du? 52! Mach keine Witze! Wirklich? Also, ich hätte geglaubt, höchstens 40! Und so könntest du auch aussehen, wenn der Bauch weg wäre und du dich gerade hinsetzen würdest! Na bitte, wer sagt’s denn: ein Mann auf dem Höhepunkt seines Lebens, der Prototyp des Mannes – erfolgreich im Geschäft! Also, man könnte von dir wirklich sagen, dass du es geschafft hast!
Aber: du bist verheiratet!
Aber es gibt kein Naturgesetz für die Ehe! Es ist sogar eine naturwidrige Erfindung! Wie die Elfmeterregel beim Fußball!
Die Ehe existiert doch nur, weil die Frauen es so wollen, und wie die Idioten lassen wir uns immer wieder von ihnen einwickeln.
Gewiß – sie … kümmern sich um’s Essen … sie bringen die Hemden in die Wäscherei.
Und du machst einen grundlegenden, weitverbreiteten, maskulinen Fehler: du verwechselst Liebe mit Wäscherei.
Darf ich dir mal etwas sagen? Schon seit Jahren holt ein sehr netter junger Mann – er arbeitet aus Gründen, die ich nie verstehen werde unter dem Namen „Madame Renée“ – meine Hemden Montag ab und bringt sie mir sauber und gebügelt pünktlich jeden Donnerstag wieder. Und nicht einmal während all der Jahre hab’ ich den Drang verspürt, ihm einen Heiratsantrag zu machen!

Wir machen ein kleines Gedankenspiel – du brauchst nicht laut zu antworten.
Wieviel verdienst du im Jahr?
Und wie viel davon hast du für dich selbst ausgegeben?
Und jetzt überleg mal einen Augenblick, was du für ein Leben führen könntest … meine Herren Geschworenen, das betrifft auch Sie. Überlegen Sie mal, was für ein wunderbares Leben Sie heute führen könnten, wenn Sie damals die Vernunft besessen hätten, sich nicht zu verheiraten … mit Myrtle oder Bernice oder Marcy oder Augusta oder Georgette!
Stell dir vor, Harold, was du mit dem vielen schönen Geld anfangen könntest!
Ein hübsches Motorboot vielleicht …?!?
Es ist doch wirklich einfach! Du brauchst nichts weiter zu tun, als auf den Knopf zu drücken!
Du könntest dir auch einen Schnurrbart stehen lassen.
Mit aufgezwirbelten Enden.
Bevor du verheiratet warst, hast du immer einen getragen. Damals warst du ein verdammt flottes Kerlchen!
Wann hast du das letzte Mal an ein Mädchen gedacht? Stell dir eine Welt voll Mädchen vor! Süße! Rassige! Es wimmelt nur so von Mädchen!
Große, kleine, schmale, üppige.
Und statt dieser alten Bruchbude, die du jetzt abbezahlen musst, nimmst du dir in der Stadt ein Haus, nur für dich allein!
Drück auf den Knopf!
Mit einem Butler, der die Martini-Gläser eisgekühlt hat, wenn du nach Hause kommst.
Aber jetzt komm mit mir, du brauchst nicht mehr zu tun, als auf den Knopf zu drücken!
Du weißt: nur ein Druck auf den Knopf, und sie ist verschwunden, und niemand wird es je erfahren!
So, nur ein Drückerchen aufs Knöpfilein, und sie ist verschwundibus.

(Harold tut es, ein Akt der Befreiung, der allgemein mit Erleichterung quittiert wird.)

Brav! Gratuliere, Harold!

Meine Herren!
Ich wende mich jetzt nicht an Sie als Richter und Geschworene, sondern einfach an Sie als Amerikaner und als Männer!
Das Verbrechen, das Harold Langdon hier vor Ihren Augen begangen hat – in seiner Fantasie – dessen bin ich angeklagt, es wirklich begangen zu haben!
Viel zu lange haben wir Männer es geduldet, dass man uns herumkommandiert, bemuttert, verzärtelt und tyrannisiert – wobei wir uns oft wie schwachsinnige Esel vorkommen! Und wer ist daran schuld? Das weibliche Geschlecht!
Ist Ihnen klar, welche Macht Ihnen heute in die Hand gegeben ist?
Wenn ein Mann – auch nur ein einziger Mann – es wagt, auf diesen Knopf zu drücken und davonkommt, Männer, dann haben wir es geschafft! Wir haben es geschafft, alle die wir da sind! Unser ganzes Geschlecht!
Männer! Ich habe es getan! Ich bin der Mörder meiner Frau! Alles, was die Anklagevertretung gegen mich vorgebracht hat, stimmt haargenau! Punkt für Punkt!
Ja, ich habe ihr die Wunderpille verabreicht, und kaltblütig warf ich sie in ihre feuchte Gruft, in das offene Maul der Mischmasch-Maschine!
Ich bitte die Herren Geschworenen, mich freizusprechen!
Ich bitte um einen Freispruch, und zwar wegen berechtigter Notwehr!
Ich habe es nicht für mich getan!
Für euch!

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