Von der Unsportlichkeit des Terrors

betr.: Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande in Hannover / Terror in Paris

Es wird dieser Tage viel über den Symbolwert des Schauplatzes der Attentate von Paris nachgedacht, über das weltweite Ansehen dieser Stadt als Metropole der Lebensfreude. Die Angriffe auf Besucher von Cafés und eines Rockkonzerts unterstreichen die Verachtung der Terroristen für den westlichen Lebensstil – ihr Neid muß unerträglich sein.
Natürlich ist auch das Fußballstadion – obwohl nicht eben ein Ort der Dekadenz – eine Stätte des heiteren und zahlreichen Beisammenseins. Und doch es hat noch eine metaphorische Bedeutung, die nach meinem Eindruck bisher übersehen wurde.
Eine solche Arena ist das Zuhause einer gesellschaftlichen Ersatzbefriedigung, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass es in Europa so viele Jahre keinen Krieg mehr gegeben hat.
Im Sport wird ein sozial unverträglicher Vorgang wie der kriegerische Zwist (der auf einen tödlichen Wett- oder Zweikampf bzw. auf die Unterwerfung des Gegners hinausläuft) auf eine spielerische Ebene verlagert. Hier kann der Mensch seinem Triebleben ein Ventil verschaffen, ohne dass Blut fließt. Nachdem es nicht mehr zum Common Sense moderner Gesellschaften passt, die Einteilung in Sieger und Verlierer vorzunehmen – sogar auf der Oscar-Verleihung ist das seit 1990 nicht mehr statthaft – kommt dem Sport eine umso größere Bedeutung zu. Wir sind zu recht stolz darauf, dass Anteilnahme und Fürsorge die Säulen unseres Zusammenlebens sind, dass man dem Schwächeren beizustehen habe. Immerhin im Sport ist die Unterteilung in Sieger und Verlierer noch gestattet.
Machen wir uns nichts vor: die zivilisatorische Schicht über unserer Raubtiernatur ist dünn.
Das sportliche Turnier ist – bewußt oder unbewußt – ein Ritual, das den gemeinen Gotteskrieger zutiefst befremden und auf seine völlig berechtigten Komplexe zurückwerfen muß.
Die Politiker, die heute dem Länderspiel zusehen wollen, „um ein Zeichen zu setzen“, setzen dieses in mehrfacher Hinsicht.

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