Der Türspalt zur Werkstatt – Die Outtakes von Ralf König (1)

betr.: Ralf Königs heutige Lesung aus „Raumstation Sehnsucht“ im Schmidt-Theater, Hamburg / Start einer Serie mit unveröffentlichten Zeichnungen von Ralf König / die Buchreihe „Der junge König“

Wie sich immer wieder zu meiner Überraschung zeigt, sind viele Künstler keineswegs eitel, wenn es um ihre Arbeit geht. Das gilt weniger für „Promis“ (die selbst ihr eigenes Produkt sind) sondern für jene, die abseits des Publikums im Stillen arbeiten und erst mit der Fertigstellung ihres Werkes an die Öffentlichkeit treten, Komponisten° oder Autoren etwa.

Mike_Cover_RMThe man who never was: „Mike“ von Ralf König

Beim Comic-Zeichner Ralf König ist das nicht anders. Er, der seit 35 Jahren verlegt wird (zunächst in alternativen und allerkleinsten Verlagen), hat dafür sogar eine einleuchtende, wenn auch recht unromantische Erklärung: wenn ein Stapel Zeichnungen veröffentlicht ist, hat er seinen Zweck erfüllt und nimmt vor allem Platz weg. Das ist für einen Leser mit Sammlerleidenschaft bereits befremdlich. Bei Ralf König ist es geradezu tragisch, denn ein Großteil seines Schaffens wurde eben nicht veröffentlicht.
Seine Arbeitsweise sah für viele Jahre so aus, dass er – einmal von einer Idee überzeugt – sogleich Seite für Seite chronologisch und in Reinzeichnung anfertigte und neugierig darauf vertraute, dass sich die Geschichte in ersprießlicher Weise entwickeln werde.
Meistens geschah das auch.
Verlor er aber die Freude oder Inspiration, brach er den Vorgang ab und wandte sich etwas Neuem zu.
Diesen riskanten Modus hat er lange Zeit beibehalten und erst in den letzten Jahren mühsam eingeschränkt – ein Überbleibsel jugendlicher Energie und Unbekümmertheit.
Nun kennen wir durchaus Comics, die jahrelang gelegen haben, ehe sie schließlich doch vollendet und herausgebracht wurden, z.B. „QRN ruft Bretzelburg“ von Franquin.
Für Ralf König kommt so etwas nicht in die Tüte. Ihm ist schon der Stilbruch unangenehm, der sich nach einer längeren Pause zeigen würde. (Mancher Leser fände diesen spaltbreiten Einblick in die Werkstatt sicher sehr amüsant.) Es gab also keinen Grund, ein solches unfertiges Erzeugnis aufzubewahren. Natürlich wurden diese Sachen nicht weggeschmissen, sie kamen einfach irgendwann abhanden.

In den frühen 90er Jahren – es war die Zeit, da „Der bewegte Mann“ bereits ein fulminanter Bucherfolg war und nun auch in Begriff war, ein erfolgreicher Kinofilm zu werden – war ich oft bei Ralf zu Gast, wenn ich etwa in der benachbarten Kölner „Filmdose“ auftrat. Irritiert von seiner geringen Wertschätzung des eigenen Archivs – das schon damals nicht unbeträchtlich war – holte ich mir seine Erlaubnis ein, wenigstens seinen Papierkorb nach Weggeworfenem durchsuchen zu dürfen.

Es sollte noch etwa 15 Jahre dauern, bis eine Wende eintrat.
Dr. Christine Vogt, Leiterin der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen, fragte wegen einer Ralf-König-Ausstellung bei ihm an. Sie war erstaunt, mit welcher Bereitwilligkeit ihr ein Umzugskarton mit Originalen ausgehändigt wurde („Bittesehr, das ist mein Lebenswerk!“). Der Inhalt wies große Lücken auf – was auch deshalb nicht verwunderlich ist, weil der Künstler oft und gern Flugblätter, Plakate, Geburtstagsgrüße und Festschriften gestaltet, die buchstäblich in alle Winde verstreut werden. Das Material war außerdem ungeordnet, aber die häufigen Anrufe von Mitarbeiterinnen des Museums – etwa: „Da sitzen zwei Knollnasen auf dem Sofa und reden über Plutonium, zu welcher Geschichte gehört das?“ – konnten stets aus dem Gedächtnis beantwortet werden.
Die Ausstellung fand die gewünschte Beachtung, ging auf Wanderschaft nach Basel, Frankfurt und Hannover und führte zu weiterer Anerkennung des Comic-Künstlers Ralf König.

Sie erweckte auch seinen guten Vorsatz, künftige Originalzeichnungen etwas sorgfältiger zu verstauen, aber noch immer ist dies eher eine säuerliche Verpflichtung als ein wirklicher Sinneswandel.

Der Männerschwarm Verlag, der Ralf König seit vielen Jahren verlegt und der zur Zeit mit „Der junge König“ eine mehrbändige Ausgabe seiner Frühwerke vorlegt, profitiert davon naturgemäß nicht. Dass sich in dieser Publikation überhaupt auch einige der zahllosen Freundschaftsdienste für die Szene wiederfinden können, die erwähnten Illustrationen für schwule Veranstalter etwa, ist Mario Russo verdanken, einem Berliner Sammler, der solche Gebrauchsgrafiken seit langer Zeit hingebungsvoll einsammelt und -sortiert.

Ein Aspekt, der bislang noch fehlt, soll nun vom „St. George Herald“ beigesteuert werden: jenes Unvollendete und Gerettete, das einen so beträchtlichen Anteil an Ralf Königs Kunst ausmacht.
Für seine Erlaubnis dazu und für die Überlassung weiterer Seiten, die meine Fundstücke ergänzen, herzlichen Dank!
Wir beginnen die Serie mit einem Fragment, in dem ein insgesamt verworfener (Serien-)Held auftritt: “Mike“. Hierin wird angedeutet: Ralf König mag Handys genausogern wie Alfred Hitchcock Spiegeleier*.
Mike_01Mike_02Mike_03Mike_04neuMike_05neuMike_06
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Copyright aller Zeichnungen: Ralf König
° siehe dazu auch den Blog vom 8. Januar 2015 über den Filmmusiker Ron Goodwin
* siehe dazu den Film „Über den Dächern von Nizza“

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Eine Antwort zu Der Türspalt zur Werkstatt – Die Outtakes von Ralf König (1)

  1. C sagt:

    Danke für dein Posting! ….und wieder einmal wird bewiesen, das Männer nicht Multi-tasking fähig sind 🙂
    @ Ralf König: wir brauchen mehr davon!!!! 🙂

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