Der Song des Tages: „Coco“

betr.: 45. Todestag von Coco Chanel

Vor einigen Jahren hörte ich mir eine ambitionierte Broadway-Anthologie an, 4 CDs mit Originalaufnahmen. Hin und wieder blickte ich versonnen von der Arbeit auf, betört von einer vertrauten Stimme, einer bekannten Liedzeile.
Plötzlich war alles anders. Ein Song, den ich noch nie gehört hatte, fesselte augenblicklich meine volle Aufmerksamkeit. Eine bröckelige und zugleich stahlharte weibliche Greisenstimme proklamierte einen mir spontan rätselhaften Text:

Coco, Coco, hoping too high,
Fell down from the sky
And started to cry:
It’s the end of Coco, Coco,
Where is a friend
To trust and depend upon?

Was war denn das?
Wie ein Blick ins Booklet verriet, handelte es sich um die Stimme der Filmschauspielerin Katherine Hepburn, die nicht lange zuvor ein letztes Mal mit Spencer Tracy vor der Kamera gestanden hatte und dann zur Witwe geworden war. Sie klang wie ein mythologisches Geschöpf. Das nächtliche Wehklagen der Banshee hätte ich mir so vorgestellt, von der die Legende sagt, das sie in Irland und im schottischen Hochland den Menschen den Schlaf raubt.
Noch immer hatte ich nicht begriffen, dass es sich bei „Coco“ um Gabrielle Chanel handelte, die eben in einer Art Rückblende ihre neue Identität und ihren Künstlernamen annahm.

Scan the hills, rake the sky,
For your searching won’t end till you try
To learn to, turn to
Someone who’s called
Coco, Coco, Coco!

Ganz offensichtlich war hier jemand schwer im Dreck sitzen gelassen worden – vermutlich von ihrer Familie – und erkannte, sie würde sich auf ihre eigenen Füße stellen müssen, wie der kurze Monolog über dem instrumentalen Mittelteil ahnen ließ:

Slowly my self-pity turned into bitterness
and my bitterness to resolve,
That one day I would never lean on anyone,
Count on anyone
Or place my fate
In anyone’s hand
But Mine
Ever again!

Orchester und Chor türmten sich noch einmal zu einer mächtigen Emotionskathedrale auf, und Katherine Hepburn wiederholte, diese Empore stürmend, den B-Teil.
Es tat einen gewaltigen Tusch, dann hatte die Erde mich wieder.

***

Das Musical „Coco“ der drei „My Fair Lady“-Mitarbeiter André Previn (Musik), Alan Jay Lerner (Songtexte) und Cecil Beaton (Ausstattung) erhielt im Dezember 1969 schlechte Kritiken, lief aber acht Monate lang, bis Katherine Hepburn (bereits an Parkinson erkrankt) durch Danielle Darrieux ersetzt wurde. Wenige Wochen später verschwand die Show vom Spielplan und aus dem Bewußtsein der Musical-Gemeinde.

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