Die überzeugende Gelackmeierte

betr: 50. Todestag von Margaret Dumont (gestern)

Margret Dumont gehört zu jenen, die es als Nebenfiguren zu einigem Ruhm brachten – zu ganz beträchtlichem in diesem Falle. Sie ist der klassische weibliche Sidekick der Marx Brothers, die „komische Alte“, eine feine Dame, mit der Groucho, der älteste und hinterhältigste der Brüder, stets anzubändeln versucht, um sich gesellschaftlich aufzuwerten.

Ursprünglich Operettensängerin, gab Margaret Dumont ihr Theaterdebüt 1902 in „Beauty And The Beast“ und spielte weiterhin am Broadway und in Stummfilmen. Bereits in den 20er Jahren wurde sie mit den Marx Brothers zusammengebracht. Der Star-Autor George S. Kaufman wünschte sie sich als deren Partnerin in „The Cocanuts“ und „Animal Crackers“, zwei Shows, die später auch verfilmt wurden. Dumont blieb fester Bestandteil des Ensembles in den Filmen der Brüder und ließ auch sonst keinen bedeutenden Komiker, kein Comedy Team aus. Sie spielte ihre klassische Rolle der etwas beschränkten Matrone mit W. C. Fields, Jack Benny, Red Skelton, Danny Kaye, Abbott & Costello, Martin & Lewis und stand auch Laurel & Hardy in dem (allerdings recht mißglückten) Spätwerk „The Dancing Masters“ zur Seite.
Besonders verbunden ist sie freilich dem Namen und Werk der Marx Brothers; Groucho nannte sie „practically the fifth Marx brother“, was auf einige Wertschätzung schließen läßt. Nach allem, was wir heute wissen, trügt dieser Eindruck.
In den Interviews und Talkshow-Auftritten, die der bis zuletzt hochverehrte Groucho absolvierte, ließ er keinerlei Milde walten, wenn die Sprache auf die Kollegin kam. Dem Talkmaster Dick Cavett erzählte er zum Beispiel, seine verstorbene Kollegin habe seine Gags grundsätzlich überhaupt nicht verstanden und ihn völlig ernst genommen. Er erinnerte sich an „Duck Soup“ („Die Marx Brothers im Krieg“): „Hierin hatte ich einen meiner Lieblingssätze zu sprechen. Nach einem Bombeneinschlag fragt sie mich: ‚Was machen Sie da?‘ – ‚Ich kämpfe um Ihre Ehre, und das ist mehr, als Sie je getan haben!‘ Als die Szene abgedreht war, kam sie zu mir und fragte: ‚Was sollte das denn bedeuten?‘ Daran kann man in etwa ablesen, wie die damaligen Moralvorstellungen ausgesehen haben! In einer Gangway-Szene in ‚A Night At The Opera‘ habe ich zwei Koffer bei mir. Sie geht vor mir und sagt: ‚Otis, haben Sie auch alles Nötige dabei?‘ Ich antworte: ‚Bisher hat sich noch keine beschwert!‘ – Ich glaube, in 37 Staaten wurde das rausgeschnitten, aber die Dumont hat’s nicht verstanden.*
Die letzte Show, die wir zusammen gemacht haben, war ‚The Hollywood Palace‘. Da stand sie nach der Vorstellung am Bühneneingang und hatte einen großen Rosenstrauß bei sich. Ich bin sicher, den hatte sie selbst gekauft. – Zwei Tage später ist sie gestorben.
Ich glaube, die Szenen, die wir in acht oder neun Filmen zusammen gemacht haben, funktionierten deshalb so gut, weil sie alles todernst gemeint hat.“

Die deutsche Wikipedia hat über die Künstlerin neben den nötigsten Basis-Informationen gleich gar nichts weiter zu berichten als diese Anekdote: Laut Groucho haben die Brüder auf einer Tournee ihrer kahlköpfigen Kollegin die Perücke gestohlen, so dass Dumont mit einem Tuch um den Kopf den Zug verlassen musste.
Das Showgeschäft ist kein Ort für zimperliche Gemüter!

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* Das trifft allem Anschein nach auch auf den Autor der deutschen Synchronfassung zu.

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