Die wiedergefundene Textstelle: „Das Drei-Monde-Irrenhaus“ (5)

betr.: 51. Jahrestag der Erstsendung von „The Last Man On Earth“ nach Richard Matheson / Fortsetzung vom 4. März

Das Drei-Monde-Irrenhaus
Eine Kurzgeschichte von Richard Matheson
Übersetzt von Monty Arnold

X.

Zu einer Aussprache in der Küche kam es nicht, denn als sie ihn mit der Anrede Liebster begrüßte, hastete er voller Ekel gleich wieder nach draußen.
Keine Blumen mehr! Ich verspreche es dir! Verfolgte sie ihn mit ihrer Geisterstimme. Er schloss sich im Wohnzimmer ein, setzte sich an den Schreibtisch und tat sich ein bisschen leid. Er fühlte sich krank.
„Verdammte Kiste, jetzt nimm dich zusammen!“ Er ballte die Fäuste und biss die Zähne zusammen – mehr war nicht möglich.
Essen?
Sie stand vor der Tür – das war offensichtlich. Er schloss die Augen.
Geh weg, und lass mich zufrieden! dachte er zurück.
Ach Liebster, es tut mir so leid, kam es von ihr.
„Hör auf, mich Liebster zu nennen!“ brüllte er und schlug mit der Faust auf die Schreibtischplatte.
Als er sich im Sessel drehte, blieb seine Gürtelschnalle an der Schreibtischschublade hängen. Durch den Spalt erblickte er eine glänzende Gaspistole. Unwillkürlich griff er danach und berührte den glatten Lauf.
Er legte die Waffe zurück und schloss die Schublade – sich zur Ordnung rufend. Plötzlich fühlte er sich allein und befreit.
Er sah sich im Zimmer um, stand auf und blickte aus dem Fenster. Draußen sah er sie mit einem Korb am Arm weggehen.
Sie wird Gemüse besorgen, sagte er sich. Aber warum so plötzlich?
Natürlich. Die Pistole. Sie mußte seine gewalttätigen Gemütsbewegungen empfangen haben.
Er seufzte und beruhigte sich ein bisschen – dieser Zustand der Befreiung fühlte sich einfach gut an, das war nicht zu leugnen.
Ich habe noch ein paar Trümpfe in der Hand, dachte er.

Er beschloss, ihre Abwesenheit zu nutzen, um ihr Zimmer zu durchsuchen. Es mußte doch dort eine Vorrichtung geben, die es ihr gestattete, unbemerkt mit den Blumen in sein verschlossenes Schlafzimmer zu kommen, eine Art drehbares Wandbrett vielleicht. Er lief durch die Diele und stieß die Tür zu ihrem spärlich möblierten, kleinen Zimmer auf.
Sofort schlug ihm der Geruch eines stinkenden Haufens von purpurfarbenen Blumen in einer Zimmerecke entgegen. Er hielt sich eine Hand über Mund und Nase.
Was soll dieser Schmus bedeuten, fragte er sich. Wollte sie damit lediglich seine Sympathie wecken, das Betriebsklima verbessern? Seine Kehle zog sich zusammen. Oder war es noch mehr? Eine weitaus abscheulichere Vorstellung! Er schnitt eine Grimasse, als ihm der erste Abend hier einfiel, der Abend, als er sie Liebling genannt hatte. Was hatte ihn bloß geritten, das zu tun?

Auf der Couch lag allerhand Krams herum: Knöpfe, zerrissene Schnürsenkel, das zerknüllte Papier, das sie hatte wegwerfen sollen. Und die Gürtelschnalle, in die die Initialen W. C. eingeprägt waren.
Bewegliche Wandbretter gab es nicht.

Er saß in der Küche und starrte in eine unberührte Tasse Kaffee. … Sie konnte also nur durch die Tür in sein Zimmer gelangt sein. … W. C. – William Corrigan.
Die Zeit verging, und plötzlich bemerkte er, dass sie wieder im Haus war. Er hatte nichts gehört, doch es war unverkennbar ihre Aura, die ihr vorauseilte. Und wie aufgeregtes Geschnatter drangen sogleich die ersten Botschaften auf ihn ein: Fühlst du dich gut? Bist du noch sauer? Liebling ist zurück?
Sie kam so schnell in den Raum gefegt, dass er zusammenzuckte und die Kaffeetasse umwarf. Als ihm die heiße Flüssigkeit über Hose und Hemd lief, sprang er auf und warf dabei auch noch den Stuhl um.
Sie setzte den Korb ab, nahm ein Handtuch und betupfte ihn emsig. Noch nie war sie ihm körperlich so nahe gekommen. Abgesehen vom Händeschütteln bei seiner Ankunft hatte sie ihn nie berührt.
Sie verbreitete ein Aroma, das ihm das Atmen schwer machte. Und ihre Gedanken sekundierten das Streicheln ihrer Bewegungen.
Ja … ja … ich bin ja bei dir.
David, Liebster.
Er ließ es geschehen. Entsetzt musterte er ihre schwammige, rosafarbene Haut, ihre riesigen Augen, ihren winzigen Mund.

Im Büro machte er an diesem Vormittag beim Führen des Stationsbuches drei grobe Fehler. Er riss die Seite heraus und ließ an dem Stück Papier seine Wut aus.

Fortsetzung folgt

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