Broadway’s Like That – Die Geschichte des Musicals (5): George M. Cohan

Und ganz viel Europa – Die Anfänge des Broadway (5) (Fortsetzung vom 8. April)

In Herberts Fußstapfen als Komponisten amerikanischer Operetten, sollten Rudolf Friml und Sigmund Romberg treten. Auch sie waren beide in Europa geboren. Zu Anfang des Jahrhunderts, als Victor Herbert sich einen Namen machte, etablierte sich auch ein anderer irisch-stämmiger Künstler am Broadway: George M. Cohan. Er ist übrigens heute noch da – als Denkmal am Times Square.

Fame+Cohan

Der Allround-Entertainer, der auch ein gewaltiger Egomane war, machte eigentlich alles selbst: Texte, Libretto, singen, tanzen, produzieren. Er pflegte in seinen Musical Comedies einen gänzlich anderen Stil als Herbert.
Herbert und Cohan – die beiden so unterschiedlichen wie einflussreichen Zeitgenossen, das scheint eine geradezu archetypische Konstellation für das amerikanische musikalische Unterhaltungstheater zu sein. Dem musikalisch gebildeten, europäisch geprägten Herbert, steht in Cohan der von Kind an mit der Familie im Vaudeville aufgetreten war, eine selbstbewusste amerikanische Direktheit und rauhbeinige Unbekümmertheit entgegen. Und nicht zu vergessen: Cohans Musical Comedies waren auch stets versetzt mit einer ordentlichen Portion von Slang und Hurra-Patriotismus. In seinem Song „I Want To Hear A Yankee Doodle Dandy Tune”, aufgenommen 1911, legt er geradezu ein Glaubensbekenntnis ab. Anstatt sich mit Wagner zu quälen, hört er lieber einen deftigen Marsch von John Philip Sousa.

https://www.youtube.com/watch?v=QipDEvZGf5M
„I Want To Hear A Yankee Doodle Dandy Tune“ (1911) (George M. Cohan)

Cohan, den man einmal „die Verkörperung des amerikanischen Geistes zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ genannt hat, hatte für’s Theater einen Leitspruch, der einem auch sehr amerikanisch vorkommt: „Tempo, Tempo, jede Menge davon! Darum geht’s: ständige Bewegung!“ Ein Rezensent einer seiner Shows hatte denn auch den Eindruck von einer großen Maschine, die mit der Geschwindigkeit und Präzision eines Schnellfeuers Charaktere, Chöre, Songs, Tänze herausschießt. Aus Cohans erstem großem Broadway-Erfolg „Little Johnny Jones“ von 1904 stammen gleich zwei Songklassiker: „The Yankee Doodle Boy“ und „Give My Regards To Broadway“, die Cohan selbst seltsamerweise nicht auf Platte aufgenommen hat.
1942 portraitierte Hollywood Cohan in einer Filmbiografie mit dem Titel „Yankee Doodle Dandy“, von der seine Tochter übrigens meinte, sie zeige das Leben, das ihr Vater gern geführt hätte. James Cagney als Cohan holte Versäumtes nach. Er singt „The Yankee Doodle Boy“.

Die englische Bearbeitung von Franz Lehárs “Lustiger Witwe” entfachte 1907 am Broadway erneut den Enthusiasmus für die europäische Operette. So bliebt und populär wurde „The Merry Widow“, dass man sie sogar parodierte. Es gab etwa eine „Merry Widow Burlesque“ oder eine Girl-Parade von lustigen Witwen aller Nationen in Florence Ziegfelds „Follies“ von 1908. Das Merry-Widow-Fieber ließ die Amerikaner sich für Merry-Widow-Hüte, -Schuhe, -Bonbons, -Zigarren begeistern. Vor allem natürlich ließ es sie Walzer tanzen. Als „I Love You Dear“ sang Jeanette MacDonald den berühmtesten in Ernst Lubitschs Verfilmung aus dem Jahre 1934.

Der größte lebende Broadway-Komponist Stephen Sondheim hat sich der Operette immer mal wieder stilistisch erinnert, ganz abgesehen davon, dass seine Vorliebe für den Dreivierteltakt sein gesamtes Schaffen durchzieht.
Den folgenden Song hat er für einen Film geschrieben, für das Sherlock-Holmes-Abenteuer „The Seven-Per-Cent-Solution“ / „Kein Koks für Sherlock Holmes“ von 1975: „I Never Do Anything Twice“. Einmal mehr kehren wir also zur Geburtsstunde des Musicals zurück und hören einer Wiener Puffmutter dabei zu, wie sie ihre Lebens- und Berufsphilosophie offen legt. Der sondheim-typisch etwas sperrige Song wurde im Film auf eine Strophe verknapppt. Für das Album „Unsung Sondheim“ entstand 1993 eine Komplettfassung des Liedes mit Judy Kaye.

Forts. folgt

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