Broadway’s Like That (33): Die Leute vom Theater

9. Cole Porter – Der spitzfindige Gentleman (3)

Gut ein halbes Dutzend erfolgreicher Musicals, die meisten mit Ethel Merman, ließ Porter noch auf „Anything Goes“ folgen. Mitte der 40er Jahre riß die Erfolgssträhne ab. Seine Musiktheaterkarriere schien beendet. Kein Wunder, dass er zunächst zögerte, als er für ein Musical nach Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ gewonnen werden sollte, zumal die Anforderungen an einen Musical-Autoren inzwischen gewachsen waren. „Die Libretti sind viel besser, und die Musik steht in viel engerer Verbindung zum Libretto als früher“, erkannte Porter. Durch das Beispiel seines Freundes und Bewunderers Irving Berlin ermutigt – der sich ja auch zuerst hatte nicht so recht an „Annie Get Your Gun“ wagen wollen – schrieb Porter 1948 sein Shakespeare-Musical: „Kiss Me Kate“ natürlich, das sein Meisterwerk und ein Welterfolg wurde.
Patricia Morrison, die „Kate“ der Uraufführung, war nicht die erste Wahl. Porters letzte Misserfolge hatten die Broadway-Diven zögern lassen. Sowohl Jarmila Novotna als auch Mary Martin waren vergeblich für diese Hauptrolle angefragt worden – und werden sich hinterher geärgert haben.

Sein Libretto von Sam & Bella Spewack bedient sich des Kunstgriffs des Theaters auf dem Theater. Es handelt von einer Theatertruppe, die Shakespeares musikalisiertes Stück im Baltimore der Gegenwart von 1948 aufführt. Den Geschlechterkampf bei Shakespeare setzen die beiden Hauptdarsteller dann auch in ihrem Privatleben fort. Es wird also auf zwei Ebenen gestritten: in Baltimore und in Shakespeares Padua. Für Porter eröffnete sich damit die Möglichkeit, musikalisch und sprachlich auf verschiedenen Stilebenen operieren zu können, sie zu kontrastieren oder ironisch zu vermischen.
Das bluesgefärbte „Why Can’t You Behave“ etwa gehört ganz zur Broadwaysphäre. Ins Shakespeare-Stück führt uns Petruchio, der davon singt, dass er sich in Padua reich verheiraten will: „I’ve Come To Wive It Wealthily In Padua”. Durch einen Pavan-Rhythmus antiquisiert Porter hier auch musikalisch.
Tom, Dick Or Harry – Hinz und Kunz also – als die Shakespeares Bianca ihre drei Bewerber spielerisch betitelt, gehören natürlich in die Alltagssprache der Gegenwart. Sprachlich wie musikalisch pendelt Porter hier amüsant zwischen Padua und Baltimore, zwischen Madrigal und Foxtrot.
„Wunderbar“, die brillante Parodie eines schmalzigen Walzers, passt wohl weder nach Baltimore noch nach Padua.
„Wunderbar“, der berühmteste amerikanische Wiener Walzer überhaupt, deutet an, dass wir mit „Kiss Me Kate“ im Spätwerk Cole Porters angekommen sind. Trotz einiger heißer Jazz-Nummern wendet sich der Meister hier vom klassischen Musical-Sound ab und der Operette à la Strauß, Suppé und Offenbach zu.
Dabei war dieser Stil nach dem Kriege soeben aus der Mode gekommen – sogar in Europa, seiner Heimatregion.

Forts. folgt

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