Lufthoheit über dem Kuckucksnest

betr.: 53. Jahrestag der Bühnenpremiere von „Einer flog über das Kuckucksnest“

Als Irrenhausgeschichte ist „Einer flog übers Kuckucksnest“ nicht unumstritten: es gab und gibt einige, die dem Film vorwerfen, er würde sich auf Kosten der armen Insassen allzu derbe amüsieren.* Andererseits wird dieser Vorwurf ebensooft nicht erhoben, was dem Film ermöglichte, zum Klassiker und zum Kultfilm zu werden. Größeren Ärger verursachte er hinter den Kulissen. Man könnte auch sagen, er verschob den Unmut des Jungschauspielers Michael Douglas darüber, immer nur als „der Sohn von Kirk Douglas“ angesehen zu werden auf Kirk Douglas selbst, der in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend zum „Vater von Michael Douglas“ wurde.

Zu dieser naturgemäßen Demütigung hat Kirk Douglas selbst ungewollt beigetragen. Zwar versuchte er seinen Sohn davon abzubringen, den selben Beruf zu ergreifen wie er (ein in Schauspielerfamilien häufig anzutreffendes Phänomen), doch mit einem seiner ambitioniertesten Projekte außerhalb Hollywoods legte er den Grundstein für dessen Aufstieg zum Star.
1962 begeisterte sich Kirk Douglas für den Roman „One Flew Over The Cuckoo’s Nest“ von Ken Kesey und erwarb die Rechte. Er schrieb eine Theateradaption und schaffte es sogar, sie an den Broadway zu bringen. Trotz des zugkräftigen Stars in der Hauptrolle war das Stück ein Wagnis und hatte es Nicht leicht. Kirk Douglas in seiner Autobiographie: “Das Publikum war hingerissen, die Kritiken vernichtend.“ Und zu diesen Kritikern zählten die größten ihrer Zunft: Walter Kerr von der „Herald Tribune“ („… von den Eingeweiden abwärts geschrieben … ein so groteskes Vorhaben für die Bühne, dass es kurz abgehandelt werden könnte, wäre da nicht die ungewöhnliche Geschmacklosigkeit, mit der es inszeniert wurde. Über Geschmacklosigkeit dieses Kalibers sollte gesprochen werden.“), Howard Taubmann von der „New York Times“ („Finden Sie die Einfälle, Kapriolen und Ticks der Patienten einer Nervenheilanstalt amüsant? Dann werden Sie sich … sicherlich gut amüsieren.“).
Als die erhofften Erlöse ausblieben, verzichtete Douglas auf einen Teil seiner Gage und verlangte das auch von den anderen Schauspielern. Aber die weigerten sich, und das Stück wurde abgesetzt. Nun versuchte Douglas, einen Produzenten für eine Verfilmung zu finden, und wieder half ihm sein großer Name nicht. Niemand wollte sich darauf einlassen, Geld in ein eingestampftes Theaterstück zu investieren.

Während er für seine erste große Rolle in der TV-Serie „Die Straßen von San Francisco“ vor der Kamera stand, begann sich nun Michael Douglas für den Stoff zu interessieren. Die Verfilmung des Romans „Einer flog über das Kuckucksnest“ schien ihm ein guter Weg, sich bei seinem Vater zu beweisen. Als dieser die Rechte zum Verkauf anbot, weil er den Traum einer eigenen Realisation aufgegeben hatte, überließ er sie Michael. Vater und Sohn trafen die Vereinbarung, dass Kirk Douglas die Hauptrolle spielen würde. Doch die Finanzierung zog sich hin. Als die Dreharbeiten nach fast sechs Jahren Vorbereitungszeit endlich beginnen konnten, war Kirk zu alt für die Rolle des Heißsporns, der sich mit der Leitung einer Klinik anlegt, in die er nach einem Vergewaltigungsprozess eingeliefert wird.
Regisseur Milos Forman sprach es schließlich aus: Kirk Douglas würde seine Traumrolle nicht bekommen, und der Wunsch des Sohnes, ihm genau diesen Traum zu erfüllen, ging nach hinten los. Schließlich war Michael auch noch der Überbringer dieser schlechten Nachricht, was ihrem angespannten Verhältnis den Rest gab.
Zuerst wurde der Part Gene Hackman angeboten, der sagte ab. Ebenso Marlon Brando. Hal Ashby brachte den Namen Jack Nicholson ins Spiel. Der gewann dann den Oscar als bester Hauptdarsteller, Michael Douglas den als Produzent des „Besten Films“. Die Oscarverleihung war die einzige in Jahrzehnten, der Kirk Douglas fernblieb. Obwohl er an den Profiten dieses Riesenerfolgs beteiligt war, schied er als doppelt Bestohlener aus diesem Abenteuer – jedenfalls sah er das so.
Das Zerwürfnis rostete nicht. Als Michael Douglas 2009 den AFI-Award für sein Lebenswerk erhielt, die höchste Auszeichnung, die Hollywood zu vergeben hat, war Vater Kirk dabei (- inzwischen 93 Jahre alt und von den Folgen eines Hubschrauberabsturzes und eines Schlaganfalls gezeichnet). In seiner Laudatio wärmte er den Zwist wieder auf: „Er sagte: Dad, der Regisseur denkt, du bist zu alt. Zu alt? Ich? Ich könnte den Part jetzt noch spielen! Und dann sagte ich: Wen stellt ihr euch denn für die Rolle vor? Und Michael sagte: Einen jungen Schauspieler. Jack Nicholson. Ich sagte: Was? Den Basketball-Freak?“

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* Bezeichnenderweise hatte er die umgekehrte Wirkung. Der Film trug zur Abschaffung der Lobotomie in der Psychiatrie bei.

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