Als Thomas Hermanns 1992 den „Quatsch Comedy Club“ in der Kellerkantine des Hamburger Schauspielhauses eröffnete, kannte er die Kultur des Stand-Up nur aus amerikanischen Filmen bzw. aus dem Fernsehen: etwa von den Auftritten des glücklosen Fozzie Bär in der „Muppet Show“, aus zwei Szenen im Musical „Fame“ und aus „King Of Comedy“. Anfang der 80er Jahre bildete dieser Film eine Welt aus Late-Night-Show, Selbstdarstellung, Comedy und Privatfernsehen ab, mit der wir erst Jahre später Bekanntschaft machen sollten. Für uns kam der Film einfach zu früh.* Auch sonst war diese grimmige Satire auf Mediengeilheit und -betrieb eine ziemliche Herausforderung. Jerry Lewis spielt erstmals eine ernste Rolle – einen Komiker, den wir nur privat zu Gesicht bekommen – und läuft dabei zu einer Finsternis auf, die nahegeht, weil sie ganz offensichtlich von dieser Welt ist. Aus heutiger Sicht ignoriert Regisseur Martin Scorsese die Sehgewohnheiten seiner und der Fans von Robert De Niro mit dem Weglassen gewisser Topoi (etwa die Romantisierung des organisierten Verbrechens und frauenverprügelnde Kerle – obwohl immerhin ein solcher Schlag durchaus ausgeteilt wird). De Niro ist diesmal nicht nur nicht der Boss, er muss gar als getretener Hund auftreten, der sich mit einer wenig attraktiven Komplizin (und derben Komödiantin) zusammentut. Die meisten Scorsese-Beobachter waren mit „King Of Comedy“ unglücklich. Ein Rezensent tröstete die irritierte Gemeinde mit dem Hinweis, der Meister sei während der Dreharbeiten schwer erkältet gewesen.
Nicht nur Jerry Lewis – der weiterhin praktisch keine ernsten Rollenangebote bekam – auch Robert De Niro liefert hier eine herausragende Arbeit ab. Die Szenen, in denen er versucht, an Security und Empfangsdame vorbei in einen TV-Sender hineinzugelangen, um eine Karriere vor der Kamera zu erzwingen, klappen dem zartfühlenden Betrachter die Fußnägel hoch. Als er – in Begleitung einer schönen Bardame, der er imponieren möchte – sogar in Jerry Lewis‘ Privatvilla eindringt und schließlich vom Hausherrn gestellt wird, ereignet sich ein Dialog, der weitaus grauenvoller ist als ein herkömmlicher Konflikt unter Mobstern – gerade weil es in der wirklichen Welt häufig eben nicht gelingt, eine Nervensäge einfach zu erschießen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Der einzige Makel, den sich „King Of Comedy“ leistet, ist seine Pointe, von der wir inzwischen erfahren haben, dass sie kein Witz sondern die schreckliche Wahrheit ist.
Nachtrag:
Inzwischen ist der Film „The Joker“ von Todd Phillips in Venedig ausgezeichnet worden und mit großen Erfolg ins Kino gekommen. In den meisten der durchgehend hymnischen Rezensionen wird auf zwei Scorsese-Filme mit Robert De Niro als wichtige Inspiration verwiesen: „Taxi Driver“ und „King Of Comedy“. (Der tragische Joker-Titelheld ist ein verhinderter Comedian, der seinem von Robert De Niro gespielten Idol imponieren will und sich schließlich – wie der „Taxi Driver“ – in eine ausgelebte Rachefantasie an der Gesellschaft flüchtet.) Ich gehe davon aus, dass sich meine Einschätzung der Rezeption von „King Of Comedy“ nun relativieren wird – wenn auch aus den falschen Gründen.
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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2017/04/15/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-vorwiegend-heiter/
Wie wahr, wie wahr. Es musste erst Zeit vergehen, bis dieses Meisterwerk Scorceses auch als Meisterwerk anerkannt werden konnte. Das die bittere Pointe des Films eine mögliche Anekdote unseres modernen Lebens wurde, macht alles nur noch schlimmer, äh besser natürlich. Fünf Sterne – und das im Einklang mit dem großen Filmkritiker M. Arnold.