“Valerian: Planet des Schreckens“
von Linus (d.i. Pierre Christin) (Text) und Jean-Claude Mezières (Zeichnungen), veröffentlicht in „Zack Parade“ Nr. 3, Koralle Verlag (1973) und bei Carlsen (2001), zuerst als „Drôles de spécimens“ in „Super Pocket Pilote“, Dargaud (1970)
Die Agenten Valerian und Laureline (die später in der deutschen Fassung Veronique heißen und sich zur eigentlichen Hauptfigur aufschwingen wird) melden sich aus ihrer Basis am Nordpol des Planeten Malpalm, den sie nun mit ihren Kollegen, dem Biochemiker Myril und dem Mathematiker Astair, erforschen werden. Malpalm ist durch große Risse, die parallel zu den Längengraden verlaufen und die in der Nähe der Pole allmählich versanden, in vier gleichgroße Teile gespalten. Myril erläutert der Bodenstation des Instituts für Weltraumforschung die Mission: „Wir haben vier verschiedene Ausgänge vorgesehen, für jede Zone einen. In Zone A scheint man sehr schnell zu altern. Die einzigen Lebewesen, die wir beobachten konnten, waren große geflügelte Tiere, die allerdings nicht flugfähig sind …“
Einige verhärmte, geierartige Flatteriche blicken den Leser an.
“In Zone B ist es genau umgekehrt. Die Zeit scheint rückwärts zu gehen. Hier hat wohl kein organisches Leben eine Chance. Die Mäuse, die wir ausgesetzt haben, haben sich innerhalb einer Viertelstunde wieder in den embryonalen Zustand zurückentwickelt.“
Unser Blick schweift über eine rätselhafte Kraterlandschaft mit einer Bergkette im Hintergrund.
“In der Zone C herrschen wieder andere Umweltbedingungen. Hier werden alle Lebewesen sehr schnell kleiner, bis sie schließlich mikroskopische Größe haben. Wir haben hier hauptsächlich eine Libellenart gefunden …“
Außerdem sehen wir einen länglichen Organismus einen Tümpel verlassen, der das gruselige Gewürm aus dem heiteren Horrorfilm „Im Land der Raketenwürmer“ vorausahnen lässt.
“In Zone D konnten wir mit dem Teleobjektiv ein ziemlich großes Tier beobachten. Hier entwickelten sich die Meerschweinchen, die wir ausgesetzt haben, zu furchterregenden Bestien von gewaltiger Größe, bevor sie in den riesigen Wäldern verschwanden …“
Astair hat errechnet, dass sich ein Mensch zwölf Minuten lang in diesen Zonen aufhalten kann, ohne deren Einflüssen zu erliegen. Die Forscher wollen aus jeder ein paar Proben in die Basis bringen, um zu sehen, wie sich diese unter neutralen Bedingungen entwickeln. “Schwierigkeiten mit der Atemluft gab es nicht“, meldet Myril noch – aber dennoch hat die Mission ihre Tücken.
Bei der folgenden Begehung des Himmelskörpers geht nämlich alles schief, was schiefgehen kann. Die Forscher werden aufgehalten oder sonst wie abgelenkt, mutieren auf die eine oder andere Art und Weise, und die Basis versinkt im Chaos. Das Schlussbild ist eine Slapstick-Orgie, in der irgendjemand ruft: „Ich kann so nicht arbeiten!“
„Valerian und Veronique“ ist die bedeutendste europäische Science-Fiction-Comicreihe und die wichtigste Arbeit von Jean-Claude Mezières. Ihr popkultureller Einfluss ist nicht zu überschätzen: alles (!), was George Lucas nicht bei den Marvel Comics geklaut hat, stammt von hier, etwa die putzigen kosmischen Tierwesen, auf die sich Mezières besonders gut versteht.
In ihrer Verpackung großer (z.B. philosophischer oder ökologischer) Themen in eine letztlich heitere Aventure, deren Helden sich niemals zu ernst nehmen, erinnert sie an das etwa gleichzeitig im US-Fernsehen gestartete „Raumschiff Enterprise“. Zunächst wurden die Abenteuer der beiden Agenten des Raum-Zeit-Service als Fortsetzungen in „Pilote“ veröffentlicht, dem legendären Jugendmagazin von René Goscinny, anschließend als Alben. „Planet des Schreckens“ ist eine der frühen 16seitigen Kurzgeschichten, die von 1968 bis ‘70 für die Taschenbuchreihe „Super Pocket Pilote“ entstanden (später im Sonderband „Jenseits von Raum und Zeit“ / „Par les chemins de l’espace“ zusammengefasst).
Der Plot von „Planet des Schreckens“ ist eines jener magischen Konzepte, die länger prickeln als man liest. Hier gelingt das Kunststück eines perfekten Schwanks, der eben nicht auf dem Boulevard angesiedelt ist, sondern in einer Zukunftsvision.