betr.: 13. Todestag von Bobby Short
Der Interpret steht am Hafen und sieht die vielen dicken Schiffe aus aller Welt hereinkommen. Er sagt sich: denen scheint es genau wie mir zu gehen, sie mögen diese Stadt. Er macht eine kleine Fahrt mit der Fähre und sagt sich: bin ich denn bescheuert? Ich muss wieder zurück! Ich liebe den Duft dieser Stadt und auch ihren Gestank. Und wenn mein Totenglöcklein läutet, will ich nicht in den Himmel oder in die Hölle, ihr wisst schon, wo ich hinwill …
Dieser Sänger ist verliebt, verliebt in die Stadt New York. Da ich selbst seit vielen Jahren in eine Hafenstadt verliebt bin – ich war es schon lange, bevor ich sie zum ersten Mal betreten habe – fasziniert mich der Song „I Happen To Like New York“ gleich auf zweierlei Art. Die zweite … nein, sagen wir: die erste ist die Tatsache, dass er die immensen Vorzüge eines Cole Porter Songs hat.
Es gibt freilich unzählige Interpretationen – wenn auch längst nicht so viele wie für die größeren Porter-Standards. Man braucht nur zwei davon, um die Freiheit zu spüren, die die Musik des Great American Songbook ihren Interpreten gelassen hat. Judy Garland nahm diesen Titel 1962 als einen liturgischen Gesang auf, der sich mit Glocken und Kirchenchor zielstrebig auf die Beerdigungs- und Wiederauferstehungspointe hinarbeitet. Bobby Short reichte ein Jazz-Trio und (wie bei ihm üblich) ein kehliger Sprechgesang. Ich weiß nicht, welche Fassung mich mehr bewegt, doch bei Short ist der Einsatz der geringeren Mittel schon faszinierend. Wir können seine Interpretation von „I Happen To Like New York“ unter dem Vorspann des Woody-Allen-Films „Manhattan Murder Mystery“ hören.