Die schönsten Comics, die ich kenne (22): „Dulle“

„Dulle: Schwer genervt“ von Bernd Pfarr, Semmel-Verlag Kiel 1985 / „Dulle“, Edition Kunst der Comics 1992

Dulle ist ein fetter Enterich Mitte vierzig. Er war wohl früher Berufsboxer, später Hilfsmaurer auf dem Bau und sogar Matrose, dann musste er sich aus Verschleissgründen eine ruhigere Betätigung suchen. Nun gebietet er über einen Schrottplatz in einem abgelegenen Tal und zwei Mitarbeiter: Kurt, der stumm und weltzufrieden hinter dem Steuer eines aufgebockten Schrottwagens durch dicke Brillengläser in die Sonne blinzelt, und Kapuste (laut Dulle „unpünktlich, faul, schlampig und schwer von Begriff“). Kapuste ist immerhin ein Schöngeist und hat ein gutes Herz.
Dulle, der „Jean Gabin des Comic“, steht in der großen Tradition miesgelaunter Phantasiegestalten, denen zuzuschauen so überaus amüsant ist. (Denn: „Das Leben hat an und für sich nur Nachteile!“ – Thomas Bernhard)

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Dulle, der Chef, und die irritierenden Schatten von Kapuste und Kurt (r.)

Was dem leidgeprüften Autoverwerter so zusetzt, ist eher ein Mangel als ein Übermaß an Problemen und Herausforderungen. Immerhin haben australische Forscher herausgefunden, dass negativ gestimmte Menschen ein besseres Auge für Details besitzen. Das erklärt, warum es im Krimi so viele erfolgreiche Piesepampel gibt. Dulle nutzt das nichts, denn Kapustes bauernschlauen Ausreden hat er letztlich nur seine Autorität entgegenzusetzen. So wortkarg Dulle ist, im Laufe der Geschichten lernen wir ihn etwas besser kennen, erfahren etwa, dass er in seiner Jugend ein Mädchen namens Katinka geliebt hat, die in den Weiten Sibiriens verschollen ist, und dass er gerne von der Südsee träumt – wenn dabei nichts schiefläuft. Die Geschichten wirken so, als dürften wir den gefiederten oder hundenasigen Comic-Helden zuschauen, wenn sie sich von Disney und Rolf Kauka einmal unbeobachtet fühlen.

Dulle hatte sein Debüt 1980 in der 8. Ausgabe des Magazins „Hinz und Kunz“ (nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Hamburger Obdachlosenmagazin), vier Jahre später tauchte er auch in den „Pullover-Comics“ auf. Sein Schöpfer, der „Titanic“-Künstler Bernd Pfarr, hat uns zwei kleine Bände hinterlassen, in denen Dulles Alltag dokumentiert ist (einen gewöhnlichen und einen limitierten mit bunten Abenteuern).

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