betr.: 93. Geburtstag von Hanns Dieter Hüsch / 50 Jahre 1968 / Interview mit Bettina Röhl im SPIEGEL 14/2018 / die Reihe „Feiert“ im Ersten
Deutschland und die Welt 1968* – Auch der Wortführer der Studentenbewegung darf nicht fehlen (linker unterer Quadrant).
In der ARD läuft zur Zeit eine Sendereihe, in der Stars des Entertainment-Betriebs ihre älteren Kollegen (lebende wie verstorbene) hochleben lassen. Der nicht ungefährliche Kniff des kammerspielartigen Formates besteht in der Behauptung, der Präsentator sei jeweils ein großer Fan des Porträtierten**. Das mag hin und wieder wahr sein, manchmal sieht es sogar danach aus (wie in der Rudi-Carrell-Folge). Was in diesem Zusammenhang mit dem Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch abgestellt wurde, hatte eher den Gestus eines Hinterherwurfs.
Sieht man einmal darüber hinweg, dass es heute offenbar technisch unmöglich ist, zusammenhängende Filmclips von mehr als 15 Sekunden in eine Sendung einzubauen und dass diese auch noch im Format beschnitten und schief eingerahmt sein müssen, ignoriert man weiterhin, dass Hüsch hier einmal mehr als biederer Vorlese-Onkel dargestellt wird (ein anderer jüngerer Kollege hat ihn bei einer Preisverleihung tatsächlich einmal so tituliert), sieht man außerdem darüber hinweg, dass alles an seiner Arbeit Lyrische, Philosophische, Politische und auch seine Leistungen als begnadeter Klamottierer vernebelt werden, dann bleibt immer noch die Frage, was zu dem latenten Sarkasmus geführt hat, der die Präsentation durchweht. Zugegeben: die Auswahl der gezeigten Archiv-Schnippelchen ist kaum dazu angetan, uns Hüschs Beliebtheit heute nachvollziehen zu lassen, aber der Kollege ist ja schließlich auch ein Zeitzeuge. Dass diesem zum Sound der Chansons, die Hüsch in der längsten Zeit seiner Karriere hinter einer Philicorda sitzend vortrug, nur einfällt, die Orgel habe scheiße geklungen, hätte er ja für sich behalten dürfen.
Diese durchwachsene Wertschätzung vonseiten der Seinen (in diesem Falle: des Fernsehens) hätte Hüsch nicht überrascht. Schon die 68er haben ihm seine mangelnde Radikalität vorgeworfen – ein Kabarettist hatte nicht nur links, sondern ein verbohrter Linker zu sein. Seine populärste Antwort darauf war der Song „Liedermacher“ („Man möchte fast von Liederkäuern sprechen…“), doch auch im Kinderfunk verhöhnte er seine gestrengen Gesinnungsgenossen oft und gern (siehe unten). Und zu verhöhnen gab es einiges.
Die Journalistin Bettina Röhl stellte und beantwortete kürzlich die Frage, womit sich die Revoluzzer eigentlich beschäftigt hatten, ehe sie zu wütenden Studenten wurden: „Die hatten eine unpolitische, glückliche Jugend in einer Wohlstandsgesellschaft mit wachsender Liberalität. Sie waren Nutznießer von mehr Taschengeld, der Pille, einem Plattenspieler zu Hause. (…) Sie hatten zehn Leben. Studentenrevolte, K-Gruppe, ein paar Häuser besetzen, danach fünf Jahre Bhagwan-Sekte, ein Studium beenden, dann noch Karriere in der Politik. So viele Chancen – die gab es vorher nicht, die gibt es auch heute nicht.“ Ihre Alten kamen diesen Menschen naturgemäß entsetzlich spießig vor, vor allem angesichts der allgemeinen „Kulturexplosion in Mode und Musik“ in den Swinging Sixties. Daneben gab es die Leere zu füllen, die sich in jeder Jugend irgendwann auftut. Aber womit? „In Verkennung dessen, was in China geschah, vermischten die 68er diese fantastische Entwicklung im Westen mit der völkermörderischen Kulturrevolution“ und machten sie zu ihrem Vorbild.
Dass Hüsch – aller linken Gesinnung zum Trotz – keine Lust hatte, am Massenmörder Mao hochzuklettern oder Ho Chi Minh zu preisen, den nützlichen Vorzeige-Idioten einer vietnamesischen Diktatur, ließen sie ihm nicht durchgehen.
Ausgerechnet 1968 begann Hanns Dieter Hüsch als Synchronsprecher von Slapstick-Stummfilmen für das ZDF zu arbeiten, eine barrikadenferne wenn auch schlecht bezahlte Tätigkeit. Ursprünglich schrieb der Redakteur Heinz Caloué die Texte, doch Hüsch baute sie zunehmend aus und erledigte den Job schließlich mit. Regelmäßig wurden Spione, Strauchdiebe, Verfolger und andere Finsterlinge als sowjetische Elemente kenntlich gemacht („Trotz intensiver ideologischer Schulung ist Juri den Tücken des westlichen Straßenverkehrs nicht gewachsen!“), und einmal streitet sich Stan Laurel sogar mit seiner Gattin über Politik.
Mrs. Laurel bei der monatlichen Beschlagnahme der Lohntüte ihre Mannes. Drei Scheine fehlen. „Den Rest her!“ fordert sie. „Dafür hab‘ ich diese Platte gekauft. Mit Sprüchen von Mao“, lügt Stan. „Oooch! Du weißt, dass ich ihn ablehne!“ – „Ich mag ihn!“ Die Sache mit der Mao-Platte wird Mrs. Laurel keine Ruhe lassen.***
Alles trotzdem-Lachen tröstete Hanns Dieter Hüsch nicht über das ungemütliche Klima**** hinweg, und einige Jahre lang trat er nur in der Schweiz auf.
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* Alle Ausrisse auf dieser Seite stammen aus dem von Jürgen von Tomëi gestalteten Klappcover der Hüsch-Platte „Eine schöne Gesellschaft“ (Intercord) aus dem Jubiläumsjahr 1968.
** Es wurden bislang nur Herren geehrt, wenn auch mitunter von einer Kollegin.
*** Fay Holderness und Stan Laurel in „Their Purple Moment“ (1928)
**** Siehe dazu „Die 60er Jahre“ in https://blog.montyarnold.com/2017/12/06/9246/
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