„Ich heiße Edgar.“

betr.: „Unterwerfung“ nach Michel Houellebecq im Hamburger Schauspielhaus

Theaterregisseure kommen sich immer wahnsinnig modern vor, wenn sie ihre Schauspieler dazu auffordern, sich auszuziehen und vollzuschmieren. Auch heute noch ist das so, gut 50 Jahre nachdem irgendjemand mit diesem Blödsinn angefangen hat. Natürlich geschieht das auch in „Unterwerfung“ – obgleich sich Edgar Selge nicht vollständig auszieht und vollschmiert. Er tut das kurz nach der Pause und verbringt den größten Teil des verbleibenden Abends in diesem gerupften Zustand, ohne dass sich das aus dem Material wirklich herleiten ließe.

„Unterwerfung“ – „der vielleicht der umstrittenste Roman der letzten Jahre“  – erzählt die Geschichte des Pariser Literaturwissenschaftlers François. Im Frankreich einer sehr nahen Zukunft erringt der charismatische Kandidat der Bruderschaft der Muslime den Sieg bei der Präsidentschaftswahl. Während es zu tumultartigen Ausschreitungen kommt und gar ein Bürgerkrieg droht, verschwindet François ohne ein bestimmtes Ziel. Von dieser Reise in sein Inneres kehrt er nach kurzer Zeit zurück in eine verwandelte Stadt und einen veränderten Universitätsbetrieb – und verhält sich dazu …

Gleich zu Beginn erklärt uns Edgar Selge, er sei weder Houellebecq noch dessen Ich-Erzähler. Diese Rückversicherung gibt er uns noch zwei, drei Mal im Verlaufe des Abends, was nicht gerade auf sein Vertrauen in die Intelligenz des Publikums schließen lässt.
Der Text hat über weite Strecken einen recht kabarettistischen Sound und eignet sich gut für eine Darbietung als Monolog. So wie er hier stattfindet, tritt er aber hin und wieder etwas auf der Stelle, und einige Kürzungen hätten ihm gut getan. Ein beherzter Darsteller hätte diesen Eindruck vielleicht zerstreut – hätte dem Houellebecq’schen Welt-Ekel-Pakt etwas Schalk oder Charme oder vielleicht sogar Sex-Appeal mitgegeben. Aber Selge hat vor allem den Wunsch, sich als netter Kerl zu präsentieren.

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