Dem Fürsten der Füchse

betr.: 101. Geburtstag von Rolf Kauka

Peter Wiechmann – wichtige redaktionelle Kraft und Serien-Erfinder im verwehten Comic-Imperium von Rolk Kauka – hat in editorischer und handwerklicher Eigeninitiative eine zweibändige Prachtausgabe mit Comics des Magazins „Primo“ (1971-74) angefertigt und herausgebracht: „Primo Premium“*. In diesem Sammlerstück – ich habe es vor wenigen Tagen freudig ausgepackt – voller klassischer Serien und kundiger Artikel darf eine Hommage an Rolf Kauka nicht fehlen. Sie erzählt nebenbei so viel über die deutsche Comic-Geschichte, die deutsche Rezeption großer frankobelgischer Serien und die Mechanismen unserer heimatlichen Popkultur, dass ich Herrn Wiechmann bat, sie hier wiedergeben zu dürfen. Ich danke herzlich für die sogleich erteilte Genehmigung.

Honi soit qui mal y pense!
(Ganz frei übersetzt: „Ein Schelm, der Böses unterstellt!“)

Kauka 101

Ein adliger Aufschneider, ein närrischer Possenreißer, zwei ausgefuchste Reinekes, ein (canis lupus) Isegrimm, ein hochweiser Galgenvogel, Familie Maulschmeißer und Meister Petz … oder kürzer: Ein blaublütiger Schelm, ein Narr, zwei Füchse, ein Wolf, Rabe, Maulwurf, Bär … mit dieser Minimalbesetzung einer volksfestlichen Possenbuden-Bühne Millionen in Bann und millionenfach monetären Vorteil daraus zu schlagen, davon ist selbst Intendant Rudolf Kauka anfänglich wenig überzeugt. Millionär will er werden, das schon – aber so wie dieser Disney da überm Teich. Jener Walt ist trickfilmisch am deutschen Märchenwesen genesen, da beißt seine Maus keinen Faden ab. Aschenputtel, Schneewittchen, Dornröschen … nicht wahr? Und ehe dieser Amerikaner weiterhin heimische Überlieferungen aus Grimms Feder plündernd in Beschlag nimmt, soll ihm kreativer Widerstand erwachsen … im Schloss zu Grünwald mit Baron Münchhausen als Ticket-Magnet an der Kinokasse! Mutig, ehrgeizig, kühn ist dieser Griff nach den Sternen – nicht nach denen in der überseeischen Flagge, auch nicht nach denen hier am Firmament, sondern der nach dem symbolisch fast Unerreichbaren, das ja stets in den Sternen liegt. Rolf Kauka hat Meister der Animation für das Projekt überredet, Stars im Zenit ihres Könnens aus Zagreb gelockt. Walter Neugebauer, Branimir Karabajic, Vlado Magdic und so weiter. Er hat die Scheinwerfer-Beleuchtung, den Schneidetisch, die Crass-Trick-Kamera und den dazugehörigen Kamera-Tisch da und dort zusammen getragen. Und wichtig, die hochqualifizierten Bedienungs-Experten dafür stehen parat: Werner Hirl und Arthur Börner!

Es entsteht sogar ein kurzer Pilotfilm in schwarz-weiß (der um 2008 bei Dupuis aufgefunden und an Kauka-Promedia zurückgeschickt wird), der aber in den 50er Jahren – trotz der umwerfenden Münchhausen-Figur von Walter Neugebauer – niemandes Portemonnaie öffnet. Mangels ‚money‘ wird abgebrochen, abgebaut und seitens Rolf Kauka arg gegrübelt. Über das Schicksal als solches und über eine hochkarätige Mannschaft, die wegen ehemaliger Ausreise-Illegalität sich jetzt wohlweislich nicht mehr in Jugoslawien sehen lassen darf … die aber dem Schlossherrn schwer auf der Tasche liegt. Da besinnen sich die Trickfilmer auf ihre Feder-Tusche-Zeichenkarton-Meriten und drängen Rolf Kauka, diese doch zu würdigen – vor allem aber zu nutzen. „Till Eulenspiegel“ ist ja nur zwei Jahre nach der Maus, also 1953, im Kielwasser des Maus-Marktführers als einzig wirkliche Konkurrenz am Kiosk.

Das Heft ist ein Service- und Zulieferungs-Produkt. Kauka liefert im Turnus an Pabel. Der druckt und vertreibt. Rolf beschaut sich also die bestehenden FF-Schöpfungen vom Kunstmaler Van der Heide kritisch-intensiv, nickt und lässt die Jugos von der Leine. Sie transformieren die ja mittlerweile schon im Heft agierende Fix, Foxi und Lupo-Mannschaft und formen aus den gemalten gezeichnete Figuren mit Comic-Kontur! Eusebia, Onkel Fax und Lupinchen kommen hinzu und die FF-Familie formiert sich. Pauli, Knox, Mischa etc. folgen. Erst eine Verlegenheitslösung, dann als grandiose Verleger-Idee gepriesen. Deshalb vollzieht Rolf Kauka auch kurz vor der ganz großen Heft-Umstellung den Verwirklichungs-Schritt zum eigenen Verlag mit sich selbst als Gallionsfigur: Euer Rolf! Der Weg zum stetig wachsenden Wohlstand ist durch allmählich wachsenden Erfolg geebnet!
Und der Trick-Film? Der ist von Rolf nicht vergessen, weil er darauf versessen. Er kommt, wennschon zu spät. Die Faszination Zeichenfilm verblasst gerade zunehmend. Maria D’Oro findet kein großes Publikum mehr. Leider, sage ich traurig, denn die italienische Machart des abendfüllenden Streifens hat wirklich Grazie! Wohltuend abgegrenzt gegen die gnadenlose Normqualität der Disney-Animations-Maschinerie.

Wenig später: Rolfs Schachzug, den Kauka-Verlag auf der Höhe seines Markt-Standings so zu verkaufen, dass alle Rechte nach wenigen Jahren der Fremdherrschaft wieder an den ehemaligen Eigner zurückfallen und sich das ganze Prozedere noch einmal gewinnbringend von Kauka zu Pabel-Moewig wiederholen lässt. Das macht die Film-Flops wie „Sommerwind“ (nie was von gehört, oder?) und „Maria D’Oro“ vergessen.
Du bist kein Comic-Kenner, kein Comic-Liebhaber, kein Comic-Zeichner. Du hättest im Quizz bei der Eine-Million-Frage nach einem bestimmten – sagen wir etwa Marvel-Character – ratlos die Flagge streichen müssen. Du bist per Zufall und über einen ganz anderen Ansatz zu den konturierten Zeichner-Figuren in jeder Stilart gekommen und hast diese Materie mit intuitivem, angeborenem Marketing-Instinkt gekonnt genutzt. Du hättest über den pädagogischen und den durchaus lehrreichen Unterhaltungs-Wert deiner Figurenfamilien spielend vor jedem Publikum und jeder Fachschaft absolut überzeugend dozieren können. Ernsthaft und unanfechtbar, eloquent, mit Humor und mit überragender Kenntnis der Leser im Verhältnis zu Pädagogen und Eltern … mit eiserner Berufs-Disziplin dahinterstehend, wenngleich ohne tiefergehende Überzeugung. Deine scharfsichtige Kritik hat dir den Respekt der Zeichner und Schreiber eingebracht. Der Vertrieb fürchtete deine Auslieferungs-Analysen. Wenn die Sache mit den zwei Seelen, ach, in einer Brust so stimmt, dann waren in dir Kommerz und Kreativität in gleichgewichtiger Personalunion beheimatet. Eine seltene Kombination, aber du hast sie gelebt.

Du stecktest den Claim „Deutsche Comics“ in den frühen 50ern gerade noch im richtigen Moment ab und ließest dann auch konsequent das Erfolgs-Gold aufblitzen. So, wie ich dich kenne, könnte der Konkurrenz einbindende Titel „Der deutsche Walt Disney“ durchaus von dir selbst unter das Volk gebracht worden sein. Oder von deiner damaligen PR-Agentur, die derart hanebüchene ‚Wahrheiten’ über dich und deine Abstammung, deine hehren Ziele und den globalen Siegeszug deiner Figuren absondern durfte, dass selbst Münchhausen neidvoll für immer verstummen wollte.

Du hast nach anfänglichem Widerstand deine Vorbehalte gegen Lizenzmaterial in deinem konservativ ausgerichteten Figuren-Imperium so rechtzeitig hintan gestellt, dass die franko-belgischen Zugpferde den Verlagswagen zur siebenspännigen Kutsche machen. Fix & Foxi und deinem Ruf tat das keinen wirklichen Abbruch. Wir befanden uns ohnehin in einer Zeit, da die Leser alle FF-Inhalte unisono dir zuschrieben. Die Serien-Differenzierung ist einer späteren Schlauberger-Generation vorbehalten. Du hast dich nach deinem Springer-Koralle-Intermezzo in beständig größer werdender Distanz vom Comic-Geschehen zurückgezogen. „Gold-Comic“ war noch so ein mehr verlagspolitischer Stolperstein und währte neun Pocket-Ausgaben lang. Hatte dann wohl seinen Zweck erfüllt. Der Schachzug Kauka-Ravensburger dagegen will sich mir nicht so einfach erschließen. Auf jeden Fall scheint er sich für dich – im Gegensatz zu anderen Beteiligten – gewinnbringend ausgezahlt zu haben und dich noch einmal – als Plantagen-Ruheständler – alten Zeiten huldigen lassen.

Draußen in Kaukasien sitze ich eines Tages mithörend in Schreibtischnähe und sehe dich, hochkonzentriert. Dein Dialog besteht nur aus „Nein!“ – „Ja!“ – „Aber sofort!“ (…) Dann schlägst du mit der flachen Hand auf die Platte und murmelst: „Ich habe eben 300.000.- Mark verdient!“ Schachspiel und Poker beherrschen – die gute Gelegenheit und die richtigen Mitarbeiter nutzen: Das ist das Rezept deines Erfolgsgeheimnisses. Beim Rest überwiegt Talent! Du warst ganz und gar kein ‚Koofmich!’ (so dein Wort), aber ein versierter Kaufmann und Selfmade-Verleger!

Alles gesagt?
Dein Peter

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* Die Macher von PRIMO-Premium beginnen jetzt mit der zweiten Welle der Produktion für alle Nachzügler, die aus irgendwelchen Gründen bislang noch nicht zugegriffen haben.

Wiiechmann heute

Für einige Schnellentschlossene wäre jetzt sozusagen die letzte Gelegenheit, denn sie dürfen ja Produktion von 150 PRIMO-Premium Pakete nicht überschreiten. Siehe PRIMO-DEZ2018 (1)

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