betr.: 35. Jahrestag der ersten Ausstrahlung eines James–Bond–Films im Deutschen Fernsehen („Liebesgrüße aus Moskau“)
(Fortsetzung vom 5.6.2019)
James Bond auf dem Tonträgermarkt
Die Soundtracks zu den James-Bond-Filmen hatten es auf dem Plattenmarkt verhältnismäßig leicht, gehörten sie doch zu einer wahnsinnig beliebten Filmreihe mit signifikanten Titelsongs. Etwas irritierend ist das Album zu „Thunderball“, das sehr unterhaltsam ist, aber mit der Musik im Film nur thematische Ähnlichkeit aufweist. Inzwischen ist das Rätsel gelüftet: John Barry musste die LP abliefern, bevor er mit der Filmpartitur fertig war. 2003 erschien eine CD, die die fehlenden Tracks nachlieferte.
Bis heute ist ausgerechnet die erste Bond-Musik mit einer Oscarnominierung nur in einer völlig unbefriedigenden Weise zu haben: „The Spy Who Loved Me“ von Marvin Hamlisch.
Der Titelsong klingt bis auf eine Abblende (während er im Film ein richtiges Ende hat) so wie im Vorspann. Das schmissige Intro der Abspann-Version fehlt – auf der Platte wird nur die zweite Hälfte des ersten Tracks wiederholt.
Dann werden die üblichen Kompromisse gereicht: dem Bond-Girl wird ein Thema gewidmet, das im Film gar nicht vorkommt, dafür sind das Jagdmotiv „Bond 77“, das Liebesthema „Nobody Does It Better“ und das „Atlantis“-Thema auf gekonnte Weise zu Single-Edits verarbeitet worden.
Dem sinfonischen Score, der sein Themenmaterial besonders wendungsreich variiert, wird diese Auswahl in keinster Weise gerecht. Auch John Barry, den eigentlichen Musikchef der Serie, hat diese Arbeit nicht unbeeindruckt gelassen. Bei seinem nächsten Einsatz griff er Hamlischs Idee wieder auf, mit (film)musikalischen Zitaten zu arbeiten.
Ein besonderes Ärgernis dieser LP ist die übel zugerichtete Son-et-lumière-Sequenz, die James Bond in der Ebene von Gizeh erlebt. Während die Pyramiden stimmungsvoll beleuchtet sind und der Lautsprecher dazu einen weihevollen Text verkündet, schlägt sich der Held in einer Grabstätte mit dem Beißer herum und fehlt bei dem Versuch, die Ermordung eines wichtigen Zeugen zu verhindern. Hamlischs Kunst besteht darin, dass die Musik sowohl zur offiziellen Zeremonie passt als auch zu den Reibereien im Hintergrund. Auf dem Album wird sie mit deutlich abgespeckter Instrumentierung und nur in einer arg verstümmelten Fassung präsentiert, die überdies mit einem Folklore-Motiv verschnitten ist. (Hier sei noch der Hinweis eingeschoben, dass die reale Pyramiden-Show-Musik von Georges Delerue stammt, einem anderen Großen der Filmmusik. Hamlisch ahmt dieses Vorbild nach, so gut er kann …*)
Als in den 90er und 2000er Jahren viele Soundtracks auf spezialisierten Labels erstmals veröffentlicht, um Bonus-Tracks ergänzt oder – und das fand ich besonders aufregend – erstmals in der Originalversion herausgebracht wurden, wurde auch an die Bond-Reihe gedacht. So konnten wir endlich „Diamonds Are Forever“, John Barrys witzigsten und reichhaltigsten 007-Soundtrack, in voller Länge hören. „The Spy Who Loved Me“ existiert auch in der Neuauflage nach wie vor nur in der 11 Tracks umfassenden LP-Version.
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* Soweit ich weiß, gab es die Musik nie zu kaufen, nur das ganze Spektakel mit Dialogen am Pyramiden-Ausgang auf „sandigen“, von der Sonne gewellten Doppel-Schallplatten. Es scheint sich bei diesem Problem um einen ägyptischen Fluch zu handeln …
Hallo Herr Arnold, Held der Themen meiner Kindheit und Jugend! Volltreffer! Bond-Soundtracks – da hat der Junge das Taschengeld des letzten halben Jahres in den Plattenladen getragen, nur um dann total enttäuscht und fragendem Gesicht vor der elterlichen SABA-Stereoanlage zu sitzen. Ich bin schon sehr gespannt auf die nächsten Betrachtungen.