Der andere zweite Mann

betr.: 52. Todestag von Charles Brackett

Zur Feier des Tages habe ich mir „A Foreign Affair“ nochmals angesehen, einen der beiden schönsten Filme mit Marlene Dietrich und einen der besten, die Billy Wilder mit Charles Brackett erarbeitet hat, seinem ersten festen Co-Drehbuchautor. So gediegen und gereift die teilweise dokumentarischen Bilder wirken, so modern ist das Tempo der Geschichte, der Dialog flott und schlackenlos. Doch die Geschwindigkeit ist nicht Teil des Plots wie bei einigen von Wilders späteren Erfolgen.

Der Ruhm, den der Regisseur noch mit I. A. L. Diamond erringen sollte, baute auf der Phase mit Brackett auf, so dass uns Diamond heute als erstes einfällt, wenn wir am Billy Wilders wichtigste Mitarbeiter hinter der Kamera denken. Und noch etwas spricht – vielleicht zu unrecht – in dieser subjektiven Wahrnehmung für Diamond: er war wie ein Zwilling für den Regisseur, die andere Hälfte des selben Geistes. Die Zusammenarbeit mit Brackett hatte von der Unterschiedlichkeit der beiden Temperamente gelebt und daraus ihre Qualität bezogen. Der 14 Jahre jüngere Wilder kleidete sich lockerer und amüsierte sich auf Parties besser, während Brackett – ein kultivierter Ostküsten-Yankee – frühzeitig aufbrach und seinen Kollegen ermahnte: „Trink nicht so viel, sonst heißt es morgen wieder, wir wären beide besoffen gewesen.“ Trotzdem galten die beiden als „the happiest couple in Hollywood“ und verdienten mit je 4500 Dollar pro Woche weit mehr als ihre festangestellten Kollegen.

Was diese Generation von Filmschaffenden einte und sie von den meisten Biographien der heutigen unterscheidet: ihr Leben war ähnlich schillernd und wendungsreich wie ihre Filme. Der Harvard-Absolvent Charles Brackett hatte bis zum Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg in New York als Jurist gearbeitet und war im Krieg u.a. Vizekonsul in der französischen Provinz. Als er danach den Anwaltsberuf wieder aufnahm, begann er Zeitungsartikel und Romane zu schreiben. Dem „New Yorker“ diente er als Theaterkritiker und zählte zur legendären Algonquin-Runde. Da sich seine Romane mehrfach als Filmvorlagen bewährten, nahm ihn die Paramount 1932 als Autor unter Vertrag. Drei Jahre lang wurschtelte er dort unbemerkt vor sich hin, dann fand er mit dem Österreicher Billy Wilder zusammen, den Lubitsch als Drehbuchautor förderte und der sich einen Muttersprachler als Mitarbeiter wünschte. „Blaubarts achte Frau“ machte das Duo sofort zu einer Spitzenkraft im Verfassen von Filmkomödien.
Wilder störte sich zunehmend an den Entstellungen, die seine Bücher in den Händen der Regisseure erfuhren, und strebte deshalb danach, auch Regie zu führen. Die Paramount ließ ihn gewähren, weil man annahm, er würde sich dort eine blutige Nase holen und fortan brav seine Schreibarbeit verrichten. Wie wir wissen, kam es anders. Die Filme des Duos wurden Hits und Charles Brackett zu ihren Produzenten. Von dieser Partnerschaft zog Brackett sich 1956 zurück, und Billy Wilder arbeitete zunächst mit wechselnden Co-Autoren. Brackett war sechs Jahre lang Präsident der Academy Of Motion Picture Arts And Sciences, schrieb weiter (er bekam 1953 einen Oscar für „Titanic“, für ein Drehbuch, das als eines seiner schwächsten gilt) und produzierte weiter – z. B. „Niagara“ mit Marilyn Monroe und die Jules-Verne-Verfilmung „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Nach zwei Flops hintereinander beschloss er, aus dem Filmgeschäft auszusteigen. Es waren zwei Musicals, und dieses Genre war im Kino Anfang der 60er Jahre längst an sein Ende gekommen.

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