betr.: der abschließende dritte Band von „Die Gruft von Dracula“ (Panini)
Seit ich an dieser Stelle das letzte Mal über Gene Colans großartiges Dracula-Epos für Marvel Comics gesprochen habe, ist viel Zeit vergangen*, so viel, dass es unterdessen bei Panini eine Neuausgabe gegeben hat, die sämtliche 70 Hefte zuzüglich Sonderausgaben und Team-Ups (bzw. den Inhalt der alten 12bändigen Sammelbandversion) in zwei dicken Schwarten wiederherstellte. Dass nun nach dem Sieg von Blade & Co. über den adligen Untoten noch ein dritter Band herauskommt, ist auf den ersten Blick eine Überraschung. Aber halt – gab es da nicht neben der Heftreihe noch das Magazin „Dracula Lives!“ … und verschiedenes andere? All das ist nun glücklich im neuesten abschließenden Volume versammelt. Obwohl Colans Serie zwangläufig fehlt, führt der unerreichte Marvel-Vampir-Spezialist die imposante Liste der Zeichner an. Und was für eine Liste das ist! Hier seien nur Steve Ditko, John Buscema, Neal Adams, Mike Ploog und Val Mayerik genannt, die mir als Nostalgiker zuerst ins Auge springen. Dieser Schinken ist geeignet, den Freunden von Graphic Novels, die sich für Comichefte und –Magazine bisher nicht interessiert haben, zu zeigen, was eine Harke ist – zumal auch Bram Stokers Vorlage hier adaptiert wird. (In „The Tomb Of Dracula“ war das Vor“leben“ des Vampirgrafen in früheren Jahrhunderten allenfalls der Gegenstand kurzer Rückblenden.)
Den Marvel-Superhelden wurde und wird von den Freunden des frankolbelgischen Comics gern vorgeworfen, sie seien asexuell, und auch Marvels „Dracula“ war – abseits der erotischen Aufladung des Vampirmythos an sich – jugendfrei. Da wir es im vorliegenden Kompendium nun mit Nachdrucken von Magazinen zu tun haben, die sich auf dem US-Zeitschriftenmarkt bereits durch das größere Format vom Angebot für die jugendlichen Zielgruppen absetzten, geht es vergleichsweise sexy und auch etwas brutaler bzw. gruseliger zu.
Wie schon im Marvel-Horror-Sampler „Die Monster kommen“ von 2019 werden Auszüge aus dem Mantelteil der alten Magazine liebevoll im Original-Look in deutscher Sprache präsentiert, also auch einige Kurzgeschichten und ein Essay. Leider fehlen die Interviews und Setberichte, die uns auf den Titelseiten schmackhaft gemacht werden, aber auch so ist der Umfang des Buches beachtlich. Apropos Titelseiten: sie sind in angemessener Größe eingepflegt – das war in der alten 12bändigen Ausgabe sehr unbefriedigend gelöst, wobei das matte Papier dort mehr Freude machte (… man kann nicht alles haben). Fast alles Übrige ist (mit gelegentlichen Blutspritzern) in Schwarzweiß. Die Colorierung der drei abschließenden Frankenstein-Crossovers** wirkt (der aktuellen US-Vorlage entsprechend) in der feinen Rasterung so grell und steril, dass man das zu schätzen weiß. Wer also auf Seite 892 mit der Lektüre beginnt und dann von vorne anfängt, dem steht ein ziemlich reines Vergnügen bevor.
_____________________
* Genaugenommen haben ich und Daniel Wamsler darüber gesprochen, siehe https://blog.montyarnold.com/2019/06/15/tomb-of-dracula-1/ und die Fortsetzungen.
** Diese sind auch im soeben erschienenen Monster-Sammelband „Frankensteins Monster – Classic Collection“ enthalten.