„Für manche Kinder ist Bildung etwas, das in ihrem Elternhaus ganz selbstverständlich da ist, andere erkämpfen sich ihren Aufstieg (…) schon früh ganz bewusst durch emsiges, bienenfleißiges Lesen, weil sie irgendwann begriffen haben, dass dies eine Leiter heraus aus dem Elend sein kann“, schreibt Annemarie Stoltenberg in „Magie des Lesens“.
Ich gehöre zu der großen Gruppe „westliche Kindheit in Friedenszeiten“, die zur Bildung schon durch Radio und Fernsehen angeregt wurde – dort fast mehr als in der Schule. Sogar an die schlechteren Kindersendungen („Maxifant und Minifant“) denke ich mit einer gewissen Zärtlichkeit zurück. Von Büchern wurde ich nicht ferngehalten, aber man trieb mich auch nicht zu ihnen hin. Die wenigen Leseempfehlungen, die ich bekam, habe ich nicht befolgt (zum Glück, wie ich heute denke).
Comics gab es eigentlich nicht. Das heißt, man hat sie mir nicht verboten, mir wurde lediglich leidenschaftslos davon abgeraten. Hin und wieder ergatterte ich ein Comicheft und profitierte jedesmal davon. Außerdem hat mir mein großer Bruder – der als Erstgeborener noch einige hatte erwerben dürfen – seinen Stapel irgendwann überlassen – für ihn das Ende der Kindheit, für mich eine Offenbarung!
Auch sonst hatte man bei uns zu Hause zu vielem keine ausgeprägte Meinung: zu kulturellen Dingen, zu politischen, zu soziokulturellen.
Wenn ich immer wieder höre, dass Verbotenes so besonders aufregend sei, frage ich mich, ob ich noch lieber Comics gelesen hätte, wenn ich es gar nicht gedurft hätte.
Schwer zu sagen.
Wahrscheinlich nicht.