Die wiedergefundene Textstelle: „Mordfall Marcus-Nelson“

Der New Yorker Cop Theo Kojak wird auf einen Mörder angesetzt, der in East Manhattan zwei junge Mädchen umgebracht hat. Als ein junger Schwarzer verhaftet wird und die Tat gesteht, scheint der Fall gelöst – doch kurz darauf widerruft er sein Geständnis. Kojak wird misstrauisch. Er begibt sich auf die Suche nach dem wahren Mörder und lässt auch dann nicht locker, als er sich in den eigenen Reihen unbeliebt macht.
Der authentische Fall von 1963 ging auf zweierlei Weise in die Krimi- bzw. Kriminalgeschichte ein. Seither sind Polizeibeamte verpflichtet, jeden Verhafteten auf sein Recht hinzuweisen, zu schweigen, um sich nicht selbst zu belasten. Außerdem machte man diese Geschichte zum Stoff der Pilotfolge für die Serie „Einsatz in Manhattan“: „Kojak: Mordfall Marcus-Nelson“ („Kojak: The Marcus-Nelson Murders“).
Regisseur Joseph Sargent und Autor Abby Mann bekamen je einen Emmy, Telly Savalas wurde für seine erste Darstellung des New Yorker Polizisten als bester Darsteller nominiert. Sein Kojak wirkt hier eher wie eine spätere, vom Beruf zermürbte Version des gemütvollen, gutgelaunten Lolli-Lutschers, zu dem sich die Figur schließlich entwickelte.


Mein Name ist Theo Kojak. Es ist interessant, wie sachlich man dem Tod gegenüber werden kann. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag bei der Polizei. Es war ein Autounfall. Es war alles voll Blut, das ganze Auto. Ich hab’ mich umgedreht und mich übergeben. Hier waren nun zwei Mädchen von zwanzig und zweiundzwanzig Jahren verstümmelt worden, furchtbarer als ich es je gesehen hatte. Und ich konnte es mir ansehen und mich nur fragen: wer hat das getan und warum? Aber bevor wir den Mordfall Marcus-Nelson zu den Akten legen konnten, sollte das oberste Gericht ins Wanken geraten, sollten die Gesetzte des Landes sich ändern, sollte sich das Land in zwei Lager spalten. Was mich betrifft – nun ja, ich sollte von da an meine Nächsten, meine Stadt, mein Land und mich selbst mit anderen Augen sehen.

Sie ließen die selben alten Zeugen aufmarschieren. Black erzählte wieder von seinen 19 Belobigungen, Jackarino haute in die alte Kerbe, widerwillig als sei’s ihm widerlich. Keiner zeigte mehr echtes Interesse. Der Gerichtssaal war nicht mehr gerammelt voll, und ich hatte das Gefühl, dass niemand ernsthaft an die Schuld von Lewis Humes glaubte. Er musste für schuldig befunden werden, um den guten Ruf anderer zu wahren. Es war so, als wären wir alle Schlafwandler, die einem schrecklichen Schauspiel beiwohnten, an dem niemand mehr wirklich gelegen war. Lewis Humes wurde der versuchten Vergewaltigung für schuldig befunden. Strafmaß: fünf bis zehn Jahre. Ich verstand zum ersten Mal, was Jake Weinhaus meinte, als er sagte: “Wo keine Gerechtigkeit ist, da ist Gewalttätigkeit.”

Ich erinnere mich daran, als ich zum ersten Mal Streife ging. Ich habe damals gedacht, wir hätten den wunderbarsten Beruf der Welt. Ich habe in uns die Hüter einer Stadt gesehen, deren Aufgabe es ist, unsere höchsten Werte zu schützen. Manche sagen: Jede Gesellschaft hat die Polizei, die sie verdient, aber ich sage: Die Polizei ist so wie die Gesellschaft.
Das war das Ende des Falles Humes – abgesehen von der Tatsache, dass er mein Leben verändert hat und das meiner Landsleute. Der Lewis-Humes-Fall wurde in der Miranda-Entscheidung des Obersten Gerichts zitiert. Diese Entscheidung verlangt, dass ein Verhafteter auf seine verfassungsmäßigen Rechte hingewiesen werden muss.

Matt Black arbeitet noch immer als Kriminalbeamter. Mario Portello wurde zum Abgeordneten gewählt. Lewis Humes ist immer noch im Gefängnis. Und zwar für ein Vergehen, für das normalerweise bei einem Nichtvorbestraften die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Was mich betrifft – nun, wissen Sie, ich habe einen Traum, der sich immer wiederholt. Ich gehe in MacNeills Büro, werfe ihm meine Polizeimarke auf den Schreibtisch und sage ihm, wo er sich die hinstecken kann. Die Wahrheit ist, ich mach’ noch immer weiter. Ich verhafte immer noch Leute, die sich verdächtig gemacht haben, Menschen, wie Teddy, der wegen Doppelmord verurteilt worden ist, den er vielleicht nur aus zu großer Angst begangen hatte, wieder ins Gefängnis zu kommen. Und wie Lewis Humes, der niemals eine Chance hatte, von Anfang an nicht.

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