Schlappgelacht – Das Polittbüro hört auf

betr.: Hamburger Kabarettgeschichte

In Hamburg wird seit alters her eher Handel getrieben als Kultur gemacht. Folglich hat es Tradition, dass sich (Klein-)Künstler, wenn sie eine Spielstätte brauchen, am besten selber eine bauen. Das Schmidt-Theater ist das prominenteste Beispiel für das Gelingen einer solchen Notfallmaßnahme, der „Delphi Showpalast“ eines für den raschen Untergang, das „Lustspielhaus“ wird von Kollegen betrieben, die zwischen den Gastspielen sehr viel Zeit auf ihrer eigenen Bühne verbringen.
1993 taten sich sechs Hamburger Kleinkünstler – zwei Solisten und zwei Duos – zusammen, um in den Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde in der Rentzelstraße eine solche Bühne zu bewirtschaften. Der unaussprechliche Name „SchlapplachHHalde“ (ein basisdemokratischer Kompromiss, logisch) war die Verballhornung der Wohnstraße eines geschätzten Kollegen. Volker Pispers, Eckart von Hirschhausen und Bodo Wartke absolvierten hier ihre Programme, wenn Herrchens Frauchen, Lutz von Rosenberg Lipinsky, Monty Arnold & Dr. Bertie (Hans Peter Reutter) oder Sybille Schrödter nicht selbst spielten. Gemeinsam setzte die Truppe ein Kabarettfestival und eine Reihe von Hausrevuen um (an die ich besonders gern zurückdenke) und brachte eine Ensembleshow in der Kampnagelfabrik heraus.

Herrchens Frauchen (ganz rechts und 3. von rechts) mit dem restlichen Team der „SchlapplacHHalde“ 1994

Dann wollte die Gemeinde ihre Räumlichkeiten zurück. Die Kollegen tingelten in alle Himmelsrichtungen weiter, und Herrchens Frauchen eröffnete in einem alten Kino am Hamburger Steindamm eine neue eigene Spielstätte, das Polittbüro.
Diese Zeit endet nun. Gestern gaben Lisa Politt und Gunter Schmidt bekannt, ihre Bühne „abgeben“ zu wollen.

Natürlich hat Lisa vollkommen recht, wenn sie sich mit 65 – das Geburtstagsprogramm ist soeben gespielt worden – berechtigt fühlt, in den Ruhestand zu gehen. Dass die Bewirtschaftung eines Kleinkunst-Theaters so viel Zeit und Kraft frisst, dass man streng genommen gar keine Zeit mehr hat, die eigentliche Kunst hauptberuflich zu betreiben, wird auch jedem Nicht-Kabarettisten einleuchten, der etwas aufmerksamer auf die Sache blickt.

Die gemachten Erfahrungen inspirierten auch, wer nun weitermachen wird: der bestens vernetzte TV-Star Michel Abdollahi und sein Kollege Robert Oschatz werden das Theater übernehmen. Es wird ihnen bei gleichbleibend anspruchsvoller Aufgabe sicher etwas leichter fallen, den Spielbetrieb zu organisieren. So wird die am 29. Mai geplante Show zum Gedenken an Effi Effinghausen „Was kann man sonst auch tun … ohne Hosen?“ zu einem Nachspiel der besonderen Art. Effi gehörte in den 70er und 80er Jahren zu den Betreibern des „Café Tuc Tuc“, das nicht nur eine bedeutsame schwule Szenekneipe war, es war auch ein wichtiger Veranstaltungsort der Subkultur. Hier traten Formationen wie die Gruppen „Brühwarm“ und „Familie Schmidt“ auf, zu denen Ernie Reinhardt (heute Lilo Wanders), Corny Littmann und eben Gunter Schmidt gehörten. 
Über diese rauschhafte Zeit wird an dieser Stelle im Zusammenhang mit der Effi-Gala noch zu lesen sein.
Jetzt wird erst einmal ein Schreck verarbeitet.

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