Frauen lachen anders …

So geht’s! – Bei Damen sollst du fein
gar niemals nicht ironisch sein.

Wilhelm Busch, „Ein galantes Abenteuer“

Beim kürzlichen Besuch einer Comedy-Veranstaltung machte ich eine verblüffende Beobachtung. Das Publikum, das zum größten Teil aus jungen Hetero-Pärchen bestand, reagierte in perfekter Abstimmung mit dem jeweiligen Act: nach jeder Textstelle, an der eine Pointe vorgesehen war, gewährte der Künstler dem Publikum eine winzige Pause. Sie war so berechnet, dass den anwesenden Frauen und Mädchen Zeit blieb, um zu checken, ob man über den Witz lachen „darf“ (ob er also den aktuellen Umgangsformen entspricht und nicht zu „frech“ ist). Die männlichen Zuseher nutzen sie für einen seitlichen Kontrollblick auf ihre Begleiterin. War diese mit der Moral des Scherzes einverstanden, signalisierte sie das durch ihre Reaktion, und erst dann lachten auch die Jungs, ganz leicht versetzt und etwas weniger herzlich.
Da mich Pointen nach diesen Kriterien nicht erreichen, habe ich den Abend schließlich nur mit der Beobachtung des Publikums verbracht. Ich versichere: genau so hat es sich abgespielt.

Seit sich die Comedy fest in unserer TV-Kultur verankert hat, wird nicht nur besonders intensiv nach den Feinheiten der Witz-Rezeption geforscht, die Ergebnisse dieser Studien werden auch immer häufiger in gesellschaftlichen Sachbüchern ausgewertet, etwa in Männer- und Beziehungsratgebern. Das ist sinnig, denn das Klopfen witziger Sprüche halten viele Heranwachsende für ein wichtiges Medium, um weibliche Aufmerksamkeit zu erregen. Darin werden sie von einer Quote bestärkt, die sich seit Jahrzehnten in Umfragen unter Frauen jeglichen Alters hält und die hier mit frischen Zahlen beispielhaft belegt werden soll: In einer BBC-Studie befragten Forscher 2018 fast 10.000 Frauen danach, welche Eigenschaften ihnen an einem Mann wichtig sind. Humor lag mit 53% vorn, gefolgt von Intelligenz mit 44%.  
Der Haken an dieser Statistik ist, dass sie nicht auf ehrlichen Aussagen beruht. Niemand wird bestreiten, dass Sex in sexuellen Beziehungen oder deren Anbahnung eine wichtige Rolle spielt. Dass körperliche Attraktion in solchen Umfragen als Option meistens gar nicht auftaucht, kann den Ergebnissen nicht gut bekommen. Es wäre keineswegs frauenfeindlich, wenn etwa die Frage gestellt würde: „Wie wichtig ist es Ihnen, dass sie dem Kandidaten attestieren würden, gut im Bett zu sein?“. Und selbst dann wäre nicht gesagt, dass sie ehrlich beantwortet wird. (Auch die Frage nach der Einschätzung wie gut sich der Mann als Ernährer einer Familie machen dürfte, wäre nicht abwegig.)  
Diesen Aspekt finde ich bedenkenswert, obwohl ich die vielen biographischen Schilderungen kenne, nach denen männliche Komiker sich durch ihre Jugendjahre geblödelt haben, um in Konkurrenz mit attraktiveren oder sportlicheren Mitschülern besser abzuschneiden. (Bei Komikerinnen habe ich so etwas übrigens noch nie gelesen.)

Um der unterschiedlichen Erwartungshaltung bei Männern und Frauen in Sachen Humor auf die Spur zu kommen, haben im Jahre 1996 Forscher 3745 Partnerschaftsanzeigen untersucht. Doppelt so viele Frauen suchten einen Partner, der sie zum Lachen bringt, als dass sie sich selbst Fröhlichkeit zuschrieben. Männer dagegen priesen ihren Humor dreimal öfter selbst an, als dass sie ihn bei einer Partnerin erwarteten. Dass Männer sich Frauen suchen, die über ihre Witze lachen, und Frauen dieses Spiel netterweise mitmachen, ist eine Zwischenbilanz, die man als Laie daraus ziehen könnte. Der Psychologe Scott Barry Kaufmann von der New York University hingegen legte es so aus: „Humor ist ein Hinweis auf Intelligenz, Kreativität, Verspieltheit und Offenheit für Experimente.“ Da Frauen das Nachwuchs gebärende und daher wählende Geschlecht seien, suchten sie sich instinktiv Männer aus, die möglichst viele positive Attribute auf sich vereinen (Intelligenz, Kreativität, Experimentierfreude…)
Kann das wahr sein? Fragen Sie sich bitte in einer stillen Stunde, ob Sie diejenigen Ihrer Freunde tatsächlich besonders sympathisch oder intelligent finden, die gern Witze erzählen.
Eins steht für mich fest: Mr. Kaufmann hat offensichtlich eine Partnerin, die seine Texte als erste liest.

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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