Was wurde aus den Kindern?

Das Liebespaar aus Franco Zeffirellis legendärer „Romeo und Julia“-Verfilmung von 1968 ist wieder da! Das hat weniger künstlerische als einen lokalpolitischen Anlass. Eine Ausnahmeregelung im kalifornischen Recht führte zur Aufhebung der Verjährungsfrist bei Kindesmissbrauch bis zum 31. Dezember letzten Jahres. Das brachte nicht nur der Katholischen Kirche und einigen Pfadfinderorganisationen nachträglich gerichtlichen Ärger ein, sondern auch Paramount Pictures, die den genannten Film einst herausgebracht hatten. Die Titeldarsteller Leonard Whiting und Olivia Hussey haben das Studio in letzter Sekunde verklagt. Im Statement eines der Anwälte heißt es: „Plötzlich waren sie berühmt in einer Dimension, die sie sich niemals hätten vorstellen können, und dabei hat man sie auf eine Art und Weise verletzt, mit der sie nicht umzugehen wussten.“
Olivia Hussey hat diese Darstellung in der Vergangenheit selbst intensiv hintertrieben, indem sie – durchaus überzeugend – ihren Stolz auf ihre wagemutige Performance zum Ausdruck brachte und sogar ihren Partner mit einbezog: „Auch Leonard war es überhaupt nicht peinlich. Während des Drehs habe ich komplett vergessen, dass ich nichts anhatte.“ Eine TV-Moderatorin gab im aktuellen Zusammenhang zu bedenken, eine solche Klage 55 Jahre nach Ende der Dreharbeiten könne zu einer „Verwässerung“ krimineller Angriffe auf Jugendliche beitragen.

Für die meisten ist diese Klage das erste, was wir von den beiden Schauspielern hören, nachdem man sie zu so unzeitigem Weltruhm gezwungen hatte.
Mir fallen noch zwei TV-Ereignisse meiner Kindheit ein, die meine jeweils erste Begegnung mit ihnen gewesen sind. Olivia Hussey gehörte als Mutter Gottes zum Ensemble des Sechsstünders „Jesus von Nazareth“ (1977), wiederum eine Regiearbeit von Franco Zeffirelli. Die Starbesetzung dieses flotten Bibelschinkens dürfte die allerfetteste sein, die es jemals geben wird.*
Noch tiefer beeindruckt hat mich das frühe Nachleben von „Romeo“. Er spielte den Dr. Frankenstein in einem ebenfalls (alt-)stargeschmückten Zweiteiler, der sein großes Versprechen im Titel trug: „Frankenstein wie er wirklich war“ (1973). Es freute mich, dieses rare Kabinettstück vor Jahren im hintersten Winkel des Privatfernsehens wiederzufinden, inzwischen existiert auch eine DVD. Mir fiel zweierlei auf. Erstens war aus Leonard Whiting bereits im Alter von 23 Jahren jegliche Ausstrahlung gewichen, er hatte nur mehr das Charisma einer Aldi-Tüte. Auch die Bildregie einer besonders grandiosen Ballszene (in der der fiesen Monsterbraut Prima der Kopf abgerissen wird) war nicht so raffiniert wie ich sie in Erinnerung hatte. Doch ich beeile mich hinzuzufügen: diese Frankenstein-Variante ist herrlich campy und wirklich gruselig.
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* Überzeugen Sie sich selbst: https://blog.montyarnold.com/2021/06/01/jesus-von-nazareth/

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