Was taugt das Remake von „Village Of The Damned“?

betr.: 72. Geburtstag von Kirstie Alley

Wer das Remake eines Filmes vorlegt, den das Publikum vergessen oder übersehen hat (z.B. weil dieser besonders alt ist oder aus einem anderen Kulturkreis stammt), kann sich ungehemmt mit seinen Federn schmücken. Ist die ältere Verfilmung allerdings so wirkungsvoll und geschätzt wie „Das Dorf der Verdammten“ von Wolf Rilla, ist daran nicht zu denken.* Als John Carpenter sich der Geschichte 1995 abermals annahm, verwies er fairerweise nicht nur auf die literarische Vorlage, er nannte im Vorspann auch das britische Original von 1960. Vor allem im ersten Akt (der eleganteste) bleibt er tatsächlich sehr dicht an Rillas Interpretation.
Auch die wenigen guten eigenen Ideen geschehen zu Beginn. Als das Dorf (es heißt auch hier Midwich, liegt allerdings in der amerikanischen Provinz) in Tiefschlaf fällt, gelingen Carpenter ein paar drastische, aber präzise Effekte, etwa wenn ein Mann vornüber auf den von ihm betreuten Grill fällt und später elend verschmort aufgefunden wird. Auch die Szene, in der die Mutter eines der Kinder unter Hypnose ihre Hand in den Kochtopf steckt, um ihre Strafe zu erleiden, ist so einfach wie entsetzlich. Doch bald sind die konstruktiven Einfälle am Ende, und es drängt sich die Frage auf, was das Ganze eigentlich soll.
Zunächst wird in Gestalt von Kirstie Alley eine zwielichtige Figur hinzugefügt. Sie hat Geheimnisse vor uns und dem Arzt des Ortes, der diesmal von Christopher Reeve gespielt wird. Aber die Schurkenrolle ist bereits an die Kinder vergeben, und Alleys geheimnisvolle Regierungsbeamtin fällt ihnen in einer etwas müden Opferungsszene zum Opfer, nachdem sie den Kleinen ihr Geschwisterchen gezeigt hat. Das tote Alien-Baby im Einmachglas hat gleich mehrere Nachteile: es ist dramaturgisch überflüssig (die Kinder wissen alles Nötige, deshalb sind sie ja so unheimlich), es wirft Fragen auf, die uns nicht beantwortet werden (Warum hat seine Mutter nicht darauf bestanden, ihr Kind bestatten zu dürfen?), und sein Design ist einfach fürchterlich: ein schlitzäugiger, schrumpeliger Faschingsartikel à la Area 51, der für die Totgeburt einer menschlichen Mutter überdies viel zu groß ist. Dass eines der Kinder zum Außenseiter der Gruppe aufgebaut wird und daraufhin menschliche Gefühle entwickelt, ist in seinem moralkitschigen Impuls unnötig amerikanisch. Die Szene gegen Ende, in der die Dorfbewohner zu ihren Fackeln und Mistgabeln greifen (!), rückt das Werk endgültig in die Nähe der schludrigeren Stephen-King-Verfilmungen. Das hat die Vorlage nicht verdient, und außerdem kann Carpenters Film selbst mit dieser unnötig herausgeforderten Konkurrenz nicht mithalten.
Dass der Arzt in der neuen Verfilmung nicht an eine Mauer denkt, um die Gedankenlesekräfte der Kinder zu blockieren, sondern an eine Flutwelle, ist ein putziger Versuch, sich zwischendurch ein bisschen zu emanzipieren.
Letztlich sehen wir aber genau die Nachlässigkeiten, die man bei aller kultigen Verehrung von John Carpenter erwarten kann. Das gilt auch für seine typische selbstgefertigte Synthesizer-Untermalung, die das alles noch etwas billiger wirken lässt.

Die Besetzung hält neben den genannten Mitwirkenden noch ein paar nette Überraschungen bereit: „Luke Skywalker“ Mark Hamill spielt den Dorfgeistlichen (leider eine Fehlbesetzung), Michael Paré (der rasch verglühte Jungstar aus „Das Philadelphia-Experiment“) hat einen kurzen Auftritt als frühes Todesopfer und Ben Affleck einen noch kürzeren als einer der Polizeibeamten, die zu Beginn die Tiefschlaf-Zone untersuchen sollen.
Wie sich das gehört, ist Wolf Rillas „Village Of The Damned“ von Carpenters Remake aus dem Angebot der erhältlichen Tonträger verdrängt worden. Doch die Fachwelt hat das Original im Blick. Auch Michael Haneke drehte bekanntlich einen Film, in dem eine mysteriöse Gruppe von Dorfkindern anscheinend eine Reihe von Verbrechen begeht. Haneke: „Ich kannte den Film nicht, als ich ‚Das weiße Band‘ gedreht habe. Aber man hat ihn seit der Kinopremiere so oft erwähnt, dass ich mir den schließlich doch mal angesehen habe. Es ist natürlich ein klassischer Fantasythriller, der mit unserer Geschichte so gut wie nichts zu tun hat, aber: solides Drehbuch, Spannung von Anfang bis Ende durchgehalten, tolle Schwarzweißfotografie, kein schlechter Film.“
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2018/05/12/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-65-das-dorf-der-verdammten/

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