Ku’damms König

betr.: 12. Todestag von Wolfgang Spier

Wolfgang Spier hat in seinem langen und bis zum Schluss aktiven Leben das Boulevardtheater zu seinem Schwerpunkt gemacht. Seine Begründung für die Ausrichtung als Komödienregisseur und „vielleicht letzter großer deutscher Volksschauspieler“ (F.A.Z.): „Das Komische liegt ja gar nicht so vielen. Mir schon.“ Aber die Tücken waren ihm ebenso bewusst: „Wenn es schlecht ist, ist es doppelt schlecht. Bei einer schlechten Shakespeare- oder Schiller-Inszenierung kann sich der Zuschauer wenigstens an die Texte halten.“
Zwar hat er sich mir mit dieser Priorität weitgehend entzogen, doch freute ich mich jedesmal, wenn Wolfgang Spier ein Gastspiel im Synchron gab (immer wieder aus dem Munde des markanten Nebendarstellers Donald Pleasence). Das waren jene goldenen Zeiten, in denen auch ungewöhnliche Organe ins Atelier gelassen und punktgenau besetzt wurden, etwa knarzende Fistelstimmen wie die seine. Ich war auch immer ganz Ohr, wenn ich mal ein Interview mit ihm erhaschte. Wie sonst nur Joe Luga beherrschte Spier die Kunst, auch auf dumme Fragen gute Antworten zu geben – und zwar ohne den Fragesteller zu beschädigen. „Herr Spier, streiten Sie sich auf der Probe auch schon mal mit Ihren Schauspielern?“ – „Das würde ich nie tun, denn dann wird meine Stimme ja noch höher!“ … „Sind Sie eigentlich bei den Kollegen beliebt?“ – „Nicht immer. Aber ich begreife gar nicht, wie es sein kann, dass mich manche Menschen nicht leiden können!“
Genau wie diese Beispiele müssen auch Spiers Lebenserinnerungen zwangsläufig auf seinen herrlichen Sound verzichten. Sie sind zum Glück nicht die unstrukturierte Plauderei, die der Titel angedroht: „Dabei fällt mir ein …“ (wenn sie auch kein Register haben, wie es sich für deutsche Autobiographien gehört). Die Überschrift erleichtert die Erfüllung der ausgegebenen Devise eines Mannes, der lange Zeit als „nicht arischer Halbjude“ keinen künstlerischen Beruf ergreifen durfte: „Selbst wenn ich an die schwierigsten Momente meines Lebens zurückdenke, erinnere ich mich meist nur noch an die absurden Umstände – und das wirkt dann heute nur noch komisch.“

In mancherlei Hinsicht würde er heute nicht mehr so gut zurechtkommen: „Ich gehe sehr viel auf Tournee und tue es wirklich gern. Es gibt viele Kollegen, die sagen: Oh Gott, das ist mir zu anstrengend! Doch für mich ist es immer wie ein halber Urlaub. Denn, was ist Urlaub? Man ist aus dem Alltagstrott raus, man ist telefonisch nur schwer zu erreichen, man bekommt die Post nur alle zehn Tage nachgeschickt. Außerdem kann man auf Achse am Tag ja nichts anderes machen: kein Funk, kein Synchron, keine anderen Proben. Man hat nur eins zu tun: am Abend Theaterspielen.“ Dann schickt der alte Schlingel noch hinterher: „Allerdings, wenn man Schwierigkeiten hat, in fremden Betten zu schlafen, sollte man es bleiben lassen.“

Dieser Beitrag wurde unter Mikrofonarbeit, Theater abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert