Coverversion – die wohlverstandene Definition

Dieser Ausdruck ist wie auch der filmische Parallelbegriff –>Remake so sehr im privaten Sprachgebrauch aufgegangen, dass sich für seine Definition aus berufenem Spezialistenmund niemand wirklich interessiert. Die Philosophin Juliane Rebentisch beschreibt das Covern als mitunter „kraftvolle Aneignung“ und verortet es ausschließlich in der Popkultur:

Eine Coverversion ist nach meinem Verständnis etwas anderes als die Interpretation einer Komposition. Von Gershwins „Summertime“ etwa gibt es unzählige Versionen, darunter großartige. Aber bei all diesen Versionen handelt es sich nicht um Coverversionen, sondern um Interpretationen eines der Oper „Porgy And Bess“ entstammenden Jazz-Standards. Eine Coverversion ist hingegen spezifisch für die Popmusik, weil sie sich auf ein ursprünglich mit einer anderen Stimme verbundenes Original bezieht, das als Hintergrund präsent bleibt. Es geht also nicht allein um das Verhältnis der Interpretinnen zum Notentext, sondern um mehr: um Verhältnisse zwischen Personen und denen von ihnen verkörperten Popmusik-Welten. Ein solches Verhältnis kann radikal umwertend sein – wie im Fall von Aretha Franklins leicht textveränderter Version von „Respect“, mit der sie Otis Reddings unangenehm machistisches Original in eine Hymne weiblicher Emanzipation verwandelte. Es kann sich aber auch um ein Verhältnis der gesuchten Wahlverwandtschaft handeln. Popmusik bietet sich gerade aufgrund ihrer prinzipiell über das rein Musikalische hinausweisenden Verfasstheit in besonderer Weise der existenziellen Besetzung an. Es geht nie nur um die Melodien, sondern immer auch um die konkreten Stimmen, die Persönlichkeiten, in denen sich diese Stimmen verkörpern, die Performance, die Mode, die Plattencover, die Videos – also das gesamte visuelle Erscheinungsbild –, und es geht – vermittelt durch all dies – um das Soziale, das sich einem Popmusikphänomen assoziiert. Es geht um Modelle von Lebensform. Sehr deutlich zeigt man sich deshalb in den entsprechenden Geschmacksurteilen. Und ganz besonders wenn es um Popmusik geht, da diese auf verschiedene Bereiche der Existenz ausgreift. Es geht nicht nur um die Frage, ob eine Musik zu mir passt, sondern ob die Welt, in die sie eingelassen ist, zu mir passt oder ich in die entsprechende Welt. Die Coverversion interessiert mich deshalb, weil sie diesen ganzen ethisch-ästhetischen Bedeutungshof um das Geschmacksurteil in der Popmusik selbst verhandelt. Wer covert was oder wen, und was sagt das über die Person, die die Wahl trifft?

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