Die Unarten der Schauspielkunst (2)

Fortsetzung vom 29. Juni 2023

Hier werden die Erläuterungen nachgereicht, die der Schauspieler Carl-Heinz Schroth (1902 – 89) seiner Liste der 10 schlimmsten Unarten des Bühnenschauspiels hinzugefügt hat. Sie ist unter  https://blog.montyarnold.com/2023/06/29/carl-heinz-schroth-10-unarten-der-schauspielkunst-1/ nachzulesen.

Von Pausen und Löchern

Der Punkt 7 der Liste lautete:
„Du sollst sparsam sein mit Pausen. Und lerne den Unterschied zwischen Pausen und Löchern.“

„Eine Pause ist ein Teil der Handlung, der mit Mimik und Gestik vermittelt wird.“ – Diese Binsenweisheit des Bühnen- und Kameraschauspiels hat sich bis zu Peter Lohmeyer nicht herumgesprochen. Dieser Schauspieler (es gibt noch unzählige andere Beispiele) pflegt in eine verträumte Abwesend zu versinken, wenn er mal für ein paar Minuten keinen Text hat. Sobald er sich plötzlich bewegt, weiß man: gleich sagt er was! Darauf kann man sich wirklich verlassen.
Bei Carl-Heinz Schroth geht es aber weniger um die Pause, die das Ensemblespiel mit sich bringt, es geht um die Binnenpause. Gerade vor Publikum lockt die große Versuchung, die eigene Präsenz dadurch zu verlängern, dass man besonders viele, möglichst lange Pausen macht. Das muss gar nichts mit Eitelkeit oder Geistesabwesenheit zu tun haben, es kann auch an der Regie liegen. Dazu Carl-Heinz Schroth:

Pausen sind etwas Wunderbares, aber nur dann, wenn sparsam damit umgegangen wird. Eine Pause muß begründet sein. Eine unbegründete Pause ist ein Loch, und das ist etwas ganz anderes. Es gibt Regisseure, die so verliebt sind in Pausen, dass es in ihren Vorstellungen mehr Pausen als Dialoge gibt. Das ergibt meistens eine gepflegte Langeweile.
Eine Pause ist eine Besonderheit und hat etwas auszudrücken: Spannung – Trauer – Schrecken – Freude – alles Mögliche. Eine Pause, nur um eine Pause zu machen, ist Quatsch! Darum hüte Dich vor Pausen, die einfach nur durch Zufall entstehen. Zu einer der häufigsten „Überflüssigkeitspausen“ gehört die Trinkpause. Immer, wenn gefüllte Gläser herumgereicht werden, passiert’s. Immer höre ich dann die Ausrede: „Ja, aber ich muss ja schließlich mal trinken“ und „Im Leben macht man das auch so“. Was man im Leben macht, kann man noch lange nicht auf der Bühne machen. Die Bühne hat andere Gesetze. Keinem Regisseur würde es einfallen, fünf Leute drei Stunden um einen Tisch sitzen und diskutieren zu lassen, obwohl man das „im Leben“ sehr wohl tun kann. Also merke: Trinke immer so, dass Dein Trinkvorgang beendet ist, wenn Du zu reden hast. Wenn man sich vernünftig mit dem Partner abspricht, ist das alles sehr wohl zu bewerkstelligen. Die Unterbrechung eines flüssigen Dialoges, nur weil eben getrunken werden muss, ist von Übel und ergibt fast immer ein Loch. Und stell Dir vor, es handelt sich um eine Saufszene, und jeder trinkt, wann er will: Lauter Löcher.
Merke: Zehn Pausen in einer Vorstellung sind besser als 300, von denen 290 Löcher sind.

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