In „Das Portrait eines Gentlemans“ widmet sich der Globetrotter W. Somerset Maugham ausnahmsweise keiner exotischen Landschaft oder Befindlichkeit von Eingeborenen, sondern einem Buch, über das er sich seinem Autor nähert. Das Bändchen „Der vollendete Pokerspieler“ (das Vorwort datiert von 1879) existiert tatsächlich, wenn auch über seinen Autor John Blackridge heute kaum mehr etwas herauszubekommen ist. Umso dankbarer schließt Maugham aus dem Text dieses Handbuchs auf den Verfasser und erblickt darin – über den Gegenstand hinaus – viel Poesie und Welthaltigkeit. Er kann sich, wie er schreibt, nicht erinnern, sich jemals für so wenig Geld (zwanzig koreanische Sen zum Wechselkurs von 1925) „bessere Unterhaltung verschafft zu haben. Denn Mr. Blackridge hatte in diesen Seiten etwas vollbracht, was keinem Schriftsteller gelingt, wenn er sich vorsätzlich darum bemüht; wird es aber unbewußt erreicht, so verleiht es einem Buch einen seltsamen und kostbaren Reiz: er hatte ein vollkommenes Portrait seiner selbst gezeichnet.“
Wie jedes gute Lektüre lässt auch diese plastische Bilder vor dem Auge des Lesers entstehen, und diese verrät ihm sogar persönliche Vorlieben des von ihm imaginierten Helden und Verfassers. Anderes ergibt sich wiederum ganz klar aus dem Text, denn wenn es um Poker geht, ist Mr. Blackridge ja ganz bei sich selbst: „Am Kartentisch war er eher gerecht als barmherzig und scheute nicht davor zurück, Anmaßung mit Strenge zu bestrafen.“
Außerdem erblickt Maugham in Blackridge auch hinsichtlich seiner Reiselust einen Seelenverwandten: der weiß nämlich alles, was er fachlich zu sagen hat, in regionalen Varianten anzubieten.
Eine seiner Aphorismen gibt Maugham direkt an seine Leser weiter.
„Die Menschen hassen diejenigen, denen sie unrecht getan haben; die Menschen lieben diejenigen, denen sie Gutes erwiesen haben; die Menschen gehen ihren Wohltätern instinktiv aus dem Weg; (…) Dankbarkeit ist ein lebhaftes Gefühl für zu erwartende Wohltaten.“
„Laß deine Chips für dich sprechen. Ein schweigsamer Spieler stellt ein Geheimnis dar; und ein Geheimnis wird immer gefürchtet.“
„Tu bei diesem Spiel nie etwas, wozu du nicht gezwungen bist; und komme deinen Verpflichtungen mit heiterer Selbstverständlichkeit nach.“
„Ein Gentleman ist stets bereit, einen angemessenen Preis für Erholung und Unterhaltung zu bezahlen.“
„Der deinem Kapital durch einen Verlust zugefügte Schaden kann niemals durch einen Gewinn in gleicher Höhe kompensiert werden.“
Ein Gentleman wird sich „niemals dazu hinreißen lassen, einen unwissenden oder schwächeren Gegner stärker zu bedrängen, als nötig ist, um ein korrektes Spiel zu sichern oder Anmaßung zu bestrafen.“
Für die Untugend des Selbstmitleids findet Mr. Blackridge diese Worte: „Spieler, die kein Glück haben, lassen sich gewöhnlich gehen, auf das Prinzip bauend, dass schlechtes Spiel und Pech vereint schließlich zum Gewinn führen.“
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