Der Song des Tages: „Sixteen Tons“

betr.: 32. Todestag von Tennessee Ernie Ford (gestern)

Ende 1955 erschien die Single, die den ehemaligen Farmerjungen und Schultrompeter Tennessee Ernie Ford endgültig vom recht erfolgreichen Sänger zum Weltstar machte.
„Sixteen Tons“ handelt von Bergleuten, Kohlenbauern, Zechenarbeitern – 16 Tonnen Kohle müssen nämlich pro Tag gehauen und aufgeladen werden – mindestens. In der Originalversion hatte der Country-Star Merle Travis 1947 die Geschichte seines Vaters verarbeitet. Dieser Bergmann aus Kentucky pflegte den Spruch, der den Refrain des Songs abschließt: „I can’t afford to die ‘cause I owe my soul tot he company store!“ („Ich kann mir den Tod nicht leisten, weil meine Seele der Firma gehört.“).

Vor seiner Neu-Veröffentlichung erschien der Titel vielen Insidern zu kommunistisch (was schon deshalb nicht zutrifft, weil er einen eher lakonischen als aufrührerischen Ansatz hat). „Sixteen Tons“ ist vielmehr ein Paradebeispiel für die Kombination von Protestlied und Schlager, auf die sich die Entertainment-Nation USA so gut verstand – und der Erfolg gab ihm recht.
Auch die deutsche Fassung von Freddy Quinn wurde ein Hit. Der entfernte jeden Hauch von Aufruhr und machte ein Seemannslied daraus: „Sie hieß Mary-Ann“; die oben zitierte Zeile lautete nun: „Es gab so viele Schiffe, so schön und groß / Die Mary-Ann aber ließ ihn nicht los!“
In den Händen von Gunter Gabriel, der den harten Arbeiter an Land zurückbrachte, wurde ein ganzes Genre aus dieser Gattung des romantisierenden Macker-Songs. Darin erklangen Zeilen wie: „Er fährt’n 30 Tonner Diesel … und sein Zuhause ist die Autobahn.“
Das Gefühl, das Gabriel damit verbreitete, war dem von Tennessee Ernie Ford gar nicht unähnlich.

Da die Liedermacher der Bonner Republik in bezug auf ihre Haltung so viel strenger (sprich: humorloser) waren als ihre Kollegen zur Zeit der Weimarer Republik*, musste sich das deutsche Chanson in seiner zweiten und bisher letzten Blütezeit ein Ventil suchen. Das fand es in der Kunst der Blödelbarden, die parallel zu den Protestsängern aufblühten und wieder vergingen. So führte die oft beklagte Mentalität von „E“ und „U“, die auch Tennessee Ernie Ford von Freddy getrennt hatte, zu einem wundervollen Parallel-Universum: für jeden Hit von Hannes Wader gab’s zum Abkühlen einen von Schobert & Black obendrauf. 
__________________________
* In den 20er Jahren leistete sich das Chanson unterschiedliche Kategorien, die nebeneinander bestehen konnten, einander ergänzten und sich sogar kombinieren ließen. Siehe: https://blog.montyarnold.com/2015/01/18/ist-ein-chanson/

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Kabarett-Geschichte, Musik, Popkultur abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert