Ein viertes Sieb für Sokrates

Sie kennen das: drei Grundfragen, die mitzuteilende Informationen nach ihrer Moral und im Bedeutungsgehalt filtern sollen, nennt man in der Philosophie scherzhaft die „drei Siebe des Sokrates“. Die Grundidee: Ist etwas weder gut noch notwendig noch wahr, dann sollte der Mensch keine Energie darauf verschwenden. Was nun durch alle Maschen der drei Siebe hindurchrieselt, das muss umgekehrt automatisch die Qualitäten Güte, Notwendigkeit und Wahrheit besitzen und ist es somit wert, die Aufmerksamkeit des Denkers zu beanspruchen. Der Rest taugt nicht zum Gesprächsthema.

Schon bei den Alten Griechen wird dies ein angesichts der Fehlbarkeit menschlichen Alltagsverhaltens nicht konsequent umsetzbares Gebot gewesen sein, lediglich ein guter Denkanstoß.
Das allzu dehnbare und subjektiv besetzte Wort „gut“ würde ich außerdem gern durch „hilfreich“ ersetzen – und es durch ein viertes Sieb absichern. Die Antwort auf die vierte Frage „Ist es zu jemandes Schaden?“ wäre ein Gegenargument.
In bezug auf sprachpolizeiliche Verordnungen ließe sich dann etwa argumentieren: Verdient nur eine einzige weibliche Person weniger, wenn ich meine Ausführungen nicht gendere (bzw. geschieht ihr ein anderes Unrecht, das auf ihr Geschlecht zurückgeht)? Na also …

Humoristen wissen: auch Klatsch (wenn er nicht in proaktive üble Nachrede mündet), Zuspitzung (wenn sie nicht persönlich diffamiert, sondern Strukturen offenlegt), Redundanz (also für die Botschaft nicht zwingend Notwendiges, aber Schmückendes) sind notwendig, um dem Alltag mit jenem Humor zu begegnen, der so oft beiläufig gepriesen wird. Heitere Gelassenheit (wieder so ein philosophisches Ideal, das es in sich hat), ist nicht zu haben, wenn wir die genannte Regel zu streng befolgen. Insofern können auch Klatsch, Zuspitzung und Redundanz „gut“ sein.
Ich glaube, das wäre ganz im Sinne des Sokrates – beweisen kann ich es nicht.

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